Kill Order
Stelle. Seine Erregung steigerte sich mit jeder Sekunde, bis er fürchtete, an seinem Zorn ersticken zu müssen. Er musste weg von ihnen. Wer war der Mossad, wenn das seine besten Leute waren?
„Jetzt reiß dich zusammen.“ Sofias Stimme durchschnitt den Raum. „Siehst du irgendjemanden hier, der seine Koffer gepackt hat?“ Rafiq drehte sich um. Sie hatte sich von der Wand abgestoßen. Ihre Worte richteten sich nicht länger nur an ihn. „Das ist doch hier die Frage. Cohen will, dass wir die Aktion abblasen. Aber was wollen wir?“ Sie sah den Katsa herausfordernd an. „Sag’s mir. Was wollen wir?“
Katzenbaums Miene blieb unergründlich. Er beugte sich vor und nahm das Mobiltelefon vom Tisch und drückte er die Wahlwiederholungstaste.
„Shalev kann uns zwei Tage verschaffen“, sagte er, nachdem er das Telefonat beendet hatte, das ebenso kurz wie heftig verlaufen war.
Rafiq hatte sich nicht bewegt, während der Katsa telefonierte. Doch sein Zorn fiel schon wieder in sich zusammen. Was blieb, waren Erschöpfung und Leere.
„Shalev glaubt, dass er die Anweisung verschleppen kann“, sagte Katzenbaum. „Er wird uns nicht erreichen können. Etwas ist passiert. Tel Aviv ist weit weg, er braucht Zeit, um herauszufinden, was los ist. Also wird es dauern, bis uns Cohens Befehl erreicht.“
„Was ist mit dem zweiten Team?“, fragte Sofia.
„Die Leute in Hawqa? Die sind auf dem Heimweg. Da war nichts zu machen.“
„Jemand muss sein Haus beobachten“, warf Alex ein.
„Glaubst du, er ist so verrückt und kehrt dahin zurück?“
„Vielleicht gerade deshalb.“
„Er hat recht“, gab Katzenbaum zu. „Jemand muss das Haus im Auge behalten.“
Rafiq verfolgte das Geplänkel mit wachsender Ungeduld. „Was heißt das jetzt? Zwei Tage?“
„Dass wir besser die Zeit nutzen, um ihn zu finden.“
„Was uns zurückbringt zu der ersten Frage“, sagte Sofia. „Wie stöbern wir einen einzelnen Mann auf?“
Rafiqs Verstand klärte sich. Er gewann die Kontrolle zurück, fand sich wieder in der Lage, sachlich zu denken. Eine Idee formte sich in seinem Kopf, eine vage Möglichkeit. Er fixierte einen Punkt an der Wand und musste lächeln. „Ich weiß, wie wir ihn finden.“
Lev sah ihn an.
Er stieß sich vom Türrahmen ab und machte einen Schritt in den Raum. „Ich kann jemanden anrufen. Jemanden in Damaskus.“
Mohamed Shoufani. Ein eloquenter Typ, dem man nicht ansah, dass er einen Hang zur Grausamkeit besaß und seine Frauen verprügelte. Shoufani, der Rafiq für einen guten Freund hielt, weil sie ein paar Mal zusammen in den Damaszener Clubs abgestürzt waren. Und vor allem, weil Rafiq ihm einen Käufer für acht Kilo beschlagnahmtes Koks vermittelt hatte. Shoufani war ein Arschloch, aber er war auch ein hohes Tier beim Mukhabarat, der syrischen Geheimpolizei, und damit immer gut für Insider-Tipps. Rafiq hatte sich stets bemüht, seine freundschaftliche Beziehung zu Shoufani zu pflegen.
Der Mukhabarat hatte nach wie vor seine Leute im Libanon, auch wenn der Widerstand der libanesischen Bevölkerung gegen die syrischen Besatzer stärker geworden war. Wahrscheinlich hatten die Syrer sogar bessere Quellen als die libanesischen Behörden selbst.
„Ich brauche ein neutrales Telefon. Ich will nicht, dass wegen einem zurückverfolgten Anruf meine Tarnung platzt.“
„Kein Problem“, sagte Sofia.
Katzenbaum lächelte verkniffen. „Wir benutzen die Syrer, um unseren Mann zu finden? Dafür werden sie uns in Tel Aviv die Haut abziehen. Oder uns einen Orden verleihen, wenn es funktioniert.“ Er wandte sich Sami und Tal zu. „Ihr packt eure Sachen zusammen und fahrt nach Hawqa.“
Dankbarkeit wallte in Rafiq hoch. Und Hoffnung. Vor allem Hoffnung.
18
Südlibanesische Sicherheitszone | Februar 1992
S
eine Wahrnehmung war verschwommen, er trieb in einem See aus rotem Schlamm.Er konnte keinen zusammenhängenden Gedanken fassen. Manchmal, für ein paar Sekunden, erinnerte er sich, dass sie ihn verwundet hatten. Er fühlte auch, dass er nicht allein war. Er hörte Schritte, spürte eine Hand an seiner Wange, eine seltsam tröstliche Empfindung. Dann sackte er zurück in die Gleichgültigkeit.
„Rafiq“, fragte eine Stimme, „Rafiq, hörst du mich?“
Seine Lider waren wie Blei. Es kostete ihn Kraft, die Augen zu öffnen. Warum war es so dunkel? Etwas ging um ihn vor. Schritte, Stimmen, Schreie. Plötzliches Licht blendete ihn. Die Helligkeit schmerzte in seinen Augen.
Als er in die
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