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Kill Order

Kill Order

Titel: Kill Order Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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erzählen.
    Weiss erhob sich vom Stuhl und strich seine Hosen glatt.
    „Überlegen Sie sich das. Wir sind ja keine Unmenschen. Sie können einen Tag in sich gehen. Danach reden wir noch einmal.“
     
    Weiss hatte gelogen. Sie gaben ihm keinen Tag. Sie gaben ihm nicht mal zwei Stunden. Bewaffnete zerrten ihn aus dem Zimmer und schleppten ihn an einen anderen Ort. Sie passierten endlose Korridore, kalter Beton unter seinen nackten Füßen. Sie stiegen eine Treppe aus Gitterrosten hinab, folgten noch mehr Korridoren, die alle gleich aussahen. Kalt und fahl flimmerten sie im künstlichen Licht.
    Der Verhörraum war etwas größer als seine Krankenzelle. Boden und Wände waren gefliest, es gab einen Abfluss in der Mitte des Raums. Die Details dienten der Einschüchterung und verfehlten ihre Wirkung nicht. Auf einem Holzschemel stand eine große Metallschüssel, die bis zum Rand mit Eiswasser gefüllt war. Er wurde auf einen Stuhl gedrückt. Sie fesselten seine Hände und Füße mit breiten Lederriemen. Dann tauchte Weiss auf, und hinter ihm Katzenbaum. Sie begannen mit dem Verhör.
    Wo befindet sich euer Lager?
    Wie viele Kämpfer?
    Wo haben sie euch ausgebildet? In den Bergen, was soll das heißen? Verdammt, in welchen Bergen? Kannst du es etwas genauer beschreiben? Waffentransporte? Welche Routen? Wo finden die Übergaben statt?
    Seine Lungen brannten, als sie ihn unter Wasser drückten, er verlor die Orientierung, kämpfte sinnlos gegen die Fesseln. Der Druck verringerte sich, sie rissen seinen Kopf zurück. Gierig holte er Atem und verschluckte sich, so dass er husten musste, bis ihm die Tränen in den Augen standen. Sie wiederholten ihre Fragen, und er starrte nach unten, sein Spiegelbild zitterte, als Wassertropfen sich von seinem Gesicht lösten und hinunter in die Schüssel fielen. Erneut stießen sie seinen Kopf nach unten, tauchten ihn gewaltsam unter. Wieder glaubte er ersticken zu müssen. Wer liefert die verdammten Waffen? Die Namen, gib uns die Namen! Wer fädelt diese Deals ein? Wo finden die Übergaben statt?
     
    Wie lange hatte er durchgehalten? Er wusste es nicht. Zwei Tage? Drei? Er sagte ihnen alles. Es war ohnehin nicht viel. Er war nur ein kleines Licht. Keiner, mit dem die Führer ihre Pläne teilten. Sie verlegten ihn in eine andere Zelle, ein Loch von zweimal drei Metern mit einem Lüftungsschlitz in der oberen Wand. Es gab einen Stuhl, und einen Eimer, den er als Toilette benutzte. Das Licht an der Decke war vergittert und blendend hell. Es gab keinen Schalter in der Zelle.
    Sie setzten die Befragungen fort. Weiss wollte Dinge wissen, von denen Rafiq noch nie gehört hatte. Der Israeli war überzeugt, dass Rafiq einen hohen Rang innerhalb der PFLP bekleidete. Sie setzten keine Gewalt mehr ein, aber die Zelle allein war Folter genug. Das helle Licht verhinderte, dass er schlafen konnte. Der Betonboden war eisig kalt und er fror ununterbrochen. Er dämmerte vor sich hin in einer Art ewigem Delirium. Seine Augen brannten, seine Haut fühlte sich dünn an. Er fragte sich, ob er sterben würde. Sie hatten ihm gesagt, dass Khamal tot war. Er konnte nicht aufhören, über Carmens und Nikolajs Schicksal nachzugrübeln und schwankte zwischen Hoffnung, Schuldgefühlen und schwarzer Verzweiflung.
    Wieder öffnete sich die Zellentür, ein Ritual, das er inzwischen als tröstlich empfand. Doch dieses Mal war es nur Katzenbaum, der in der Tür stand. Weiss war nicht bei ihm. Der Israeli trug zwei Becher Kaffee und setzte sich nicht auf den Stuhl, wie Weiss es tat, sondern ließ sich neben ihm auf den Boden sinken. Rafiq nahm den Pappbecher mit dem dampfend heißen Gebräu, obwohl er das Gefühl hatte, dass es ein Fehler war, eine Art Eingeständnis. Vorsichtig nippte er daran. Das Licht fraß sich in seine Netzhaut, als er hoch in die Lampe blickte.
    „Wo kommen Sie her?“ Katzenbaum formulierte die Frage ganz beiläufig. „Stammen Sie aus dem Libanon? Sie sind Libanese, nicht wahr? Das ist Ihre Heimat. Sie haben für Ihre Heimat gekämpft.“
    „Beirut“, erwiderte Rafiq. Er verspürte das irrationale Bedürfnis, mehr zu sagen. Er wollte vom Jnah-Distrikt erzählen mit seinen alten Häusern, den schattigen Innenhöfen, den Bäumen, die im Krieg verbrannt waren. Der Kaffee war süß und stark und verströmte einen belebenden Duft.
    „Ich bin in Akko geboren“, sagte Katzenbaum. „Die Stadt liegt am Meer und ist voller alter Ruinen. Beirut liegt auch am Meer, aber Beirut ist viel größer.“ Er

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