Kill Order
Limassol in einen Abflusskanal geworfen, bevor sie an Bord der Fähre gingen. Er hatte Carmens Plan zuerst als unsinnig verworfen. Ausgerechnet Deutschland, wo ein Haftbefehl gegen ihn vorlag. Der Gedanke war absurd.
So absurd, hatte er plötzlich gedacht, dass niemand beim Mossad das in Erwägung ziehen würde. Die Israelis rechneten nicht damit, dass er sich ausgerechnet nach Deutschland wandte. Und plötzlich verwandelte sich Carmens verrückte Idee in eine reizvolle Option.
Er hatte viel über Carmen nachgedacht. Über ihre Motive. Ob er es sich leisten konnte, ihr zu vertrauen. Es fühlte sich seltsam an, eine Verbündete zu haben. Vielleicht war er einfach zu lange allein gewesen. Er empfand es als ungewohnt, ja beunruhigend, seine Pläne mit einem anderen Menschen zu teilen. Trotzdem war er froh, dass Carmen in Limassol nicht aus dem Wagen gestiegen war. Auch wenn er den Verdacht noch nicht endgültig beiseite schieben konnte, dass ihre plötzliche Kooperation Berechnung entsprang. Was, wenn sie in einem unbeobachteten Moment Kontakt zu ihren Freunden beim Mossad aufnahm, um ihn doch noch in eine Falle zu locken? Das war eine Möglichkeit. Doch es war ebenso möglich, dass sie die Wahrheit sagte. Bei dem Zusammenstoß an der zypriotischen Küste wäre sie beinahe getötet worden, von ihren eigenen Leuten. Das musste sie erschüttert haben.
Schweigend durchquerten sie die Halle mit den Gepäckbändern und traten durch die Zollschleuse in den Ankunftsbereich. Von Athen aus hatte er einen Wagen reserviert. Sie erledigten die Formalitäten am Avis-Schalter und machten sich auf den Weg zur Tiefgarage. Als er die Parkreihe hinunterlief, hatte er zum ersten Mal seit ihrer Ankunft das Gefühl, verfolgt zu werden. Er lauschte auf die Schritte in seinem Rücken, während er nach der Stellplatznummer suchte. Der Wagen, ein VW Passat, stand ganz am Ende.
Er stieg ein und beobachtete den Korridor im Rückspiegel. Nachdem Carmen ihre Tür geschlossen hatte, ließ er den Motor an und stieß rückwärts aus der Parklücke. Rasch glitt sein Blick von einer Seite zur anderen. Die Reihe war leer. Wer immer hinter ihnen gewesen war, war nun verschwunden.
„Was ist?“, fragte sie.
„Ich weiß nicht. Ich dachte gerade, uns folgt jemand.“
Sie antwortete nicht, aber er sah, wie sie sich auf die Lippen biss. Er behielt weiter den Rückspiegel im Auge, während er auf die Ausfahrt zurollte. Die Schranke öffnete sich, sie fuhren hinaus in grauen Nieselregen. Er schaltete das Radio ein und drehte die Lautstärke herunter.
Carmen warf einen Blick über die Schulter. „Bist du sicher, dass uns jemand gefolgt ist?“
„Nein.“ Er ließ die Scheibe herunter. „Wahrscheinlich war da nichts.“
„Aber du weißt es nicht genau.“
Er beobachtete die Fahrbahn in seinem Rücken, während er den Blinker setzte und sich auf die Autobahn einfädelte.
*
Katzenbaum saß zusammen mit Shalev in der Küche seiner Wohnung in Tel Aviv, als ihn Daniel Grolanik anrief, der Leiter des Büros in Berlin. Grolanik klang aufgeregt. „Du hattest recht“, drang seine dünne Stimme durch den Äther. „Woher wusstest du, dass sie kommen würden?“
„Wusste ich nicht.“ Katzenbaum spürte, wie seine Haut zu kribbeln begann. Pures Glück. Er konnte die Aufregung kaum unterdrücken. „Wo sind sie?“
„Mit einem Auto unterwegs in Richtung München.“ Grolanik holte tief Luft. „Ich habe zwei Leute an ihnen dran.“
„Die sollen bloß vorsichtig sein. Keine Experimente.“
„Das sind keine Anfänger.“ Eine Pause entstand. „Ich habe niemanden sonst benachrichtigt“, murmelte Grolanik. „Wie du es wolltest.“
„Danke, David.“
„Schon gut. Du schuldest mir einen Gefallen.“
„Was immer du willst.“
In der Leitung klickte es. Grolanik hatte aufgelegt. Shalev blinzelte hinter seinen goldgerahmten Brillengläsern. Ein kleines Lächeln glitt über sein Gesicht. „Cohen kriegt einen Tobsuchtanfall, wenn er mitkriegt, dass wir ohne seine Genehmigung operieren.“
„Du biegst das schon hin.“ Katzenbaum stand auf. Sein Bein schmerzte bei der Belastung, doch er grinste trotzdem. Er fühlte eine tiefe Befriedigung, die sich immer dann einstellte, wenn ein Plan funktionierte. Nachdem Rafiq am gestrigen Abend gegangen war, hatte Katzenbaum Shalev angerufen. Die halbe Nacht hatten sie zusammen gesessen und geredet. Sie hatten Routen entworfen, die Fedorow von Zypern aus nehmen mochte, mögliche Ziele diskutiert, sie
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