Kill Order
nach Wahrscheinlichkeit geordnet.
Katzenbaum hatte Binyamin von Rafiqs Entdeckungen erzählt. Das waren besorgniserregende Neuigkeiten. Sie hatten beschlossen, die offiziellen Kanäle zu meiden, bis sie wussten, mit wem sie es zu tun hatten. Jeder von ihnen hatte Freunde innerhalb der Organisation, alte Kampfgefährten, die man unter der Hand um einen Gefallen bitten konnte.
Mitten in der Nacht hatten sie ein provisorisches Überwachungsnetz organisiert, das halb Europa umspannte. Ihnen war klar gewesen, dass es ein Schuss ins Blaue war. In Deutschland hatten sie drei große Städte aufgestellt: Berlin, Frankfurt und München. Deutschland stand weit unten auf der Liste. Weder Katzenbaum noch Shalev konnten sich vorstellen, dass Fedorow ausgerechnet in Deutschland auftauchen würde. Im Grunde hatten sie David Grolanik nur angerufen, weil er ein guter Freund war und weil sie gewusst hatten, dass er ihnen sofort helfen würde.
„Wie jetzt weiter?“, fragte Shalev.
„David muss uns Leute geben. Wenn der Zeitpunkt günstig ist, schnappen wir uns den Kerl.“
„Was ist mit der Deutschen?“
„Carmen Arndt?“ Katzenbaum schüttete Zucker in seinen Kaffee. „Das ist eine verfahrene Sache. Fedorow hat sie immer noch als Geisel. Und es gibt einen Haufen Ärger, wenn wir sie nicht unbeschadet wieder rausholen.“
„Wegen deinem Agenten aus Damaskus? Ist er so wertvoll für uns?“
„Das weißt du selbst“, sagte Katzenbaum unwirsch. „Letztes Jahr hat er uns Mahmud Ali Faddoul geliefert. Und den Waffendeal mit der Hisbollah.“
„Schon gut. Außerdem wickelt er Geschäfte für uns ab, oder?“
„Zumindest“, sagte Katzenbaum, „muss es für Rafiq so aussehen, als hätten wir alles in unserer Macht Stehende getan.“
*
Der Regen wurde dichter. Die meisten Fahrer hatten ihre Scheinwerfer eingeschaltet. Die Autobahn war vierspurig und dicht befahren.
Nikolaj hatte sich auf der mittleren Spur eingeordnet. Ein Stück hinter ihm fuhr ein dunkelroter Mercedestransporter. Die rechte Spur gehörte einer nicht abreißenden Kette von LKWs. Vor ihm tauchte ein Schild auf, das ein Autobahnkreuz ankündigte. Er wechselte auf die Abbiegerspur. Als er wieder in den Rückspiegel schaute, war der Transporter verschwunden. Vor einer scharfen Kurve bremste er ab und ließ den Passat in die Kurve rollen. Neben ihm zog ein BMW-Geländewagen auf gleiche Höhe.
„Idiot“, sagte Carmen, „der wird gleich merken, wie ...“
In diesem Moment rammte der Geländewagen das Heck des Passats. Nikolaj spürte den Ruck bis hoch in die Schultern, während er hastig gegenlenkte, um nicht die Kontrolle über den Wagen zu verlieren.
„Scheiße“, keuchte Carmen. Der Rest ihrer Worte ging in einem dumpfen Schlag und dem Kreischen von Metall unter, als der BMW ihnen erneut in die Seite krachte und sie von der Fahrbahn drängte. Nikolaj riss das Lenkrad zur Seite, um die Drift auszugleichen. Der Passat begann sich zu drehen. Die Kurve schien kein Ende zu nehmen. Er warf einen schnellen Blick über die Schulter, konnte aber nicht erkennen, wer in dem Geländewagen saß. Einen Herzschlag später explodierte das Fensterglas auf der linken Seite unter einer Feuergarbe. Er duckte sich instinktiv, während er gleichzeitig versuchte, den Wagen wieder auf die Spur zu bringen. „Runter!“, brüllte er.
Sie rammten ihn ein drittes Mal, und diesmal rutschte der Passat über den Fahrbahnrand hinaus. Er raste auf die Leitplanke zu, wurde von der Wucht des Aufpralls angehoben und über die Seitenbegrenzung geschleudert. Die Airbags explodierten. Der Wagen überschlug sich in der Luft und stürzte den Hügel hinunter. Mit seltsamer Klarheit nahm Nikolaj wahr, wie die Fliehkräfte seinen Körper in die Gurte pressten, wie sich ein Regen aus Glassplittern über ihn ergoss. Und dann den Aufprall weiter unten.
Viel später erst wurde ihm bewusst, wie viel Glück sie gehabt hatten. Der Hügel war von einem Wäldchen junger Kiefern und Birken bewachsen. Als der Passat mit dem Dach zuerst in die Baumkronen stürzte, dämpften die Äste den Aufprall. Dennoch dauerte es Minuten, bis es Nikolaj gelang, die Benommenheit abzuschütteln und noch länger, bis er sich aus den Gurten befreit hatte. Neben ihm regte sich Carmen. Stöhnend drehte sie den Kopf, das Gesicht blutüberströmt.
Tonlos bewegten sich ihre Lippen, während sie mit einer Hand nach der Gurtschnalle tastete. Nikolaj dachte an den BMW-Geländewagen. Wer immer darin saß, er würde
Weitere Kostenlose Bücher