Kill Whitey
ist unser kleines Geheimnis.«
»Ja«, pflichtete ich ihm bei. »Manche Dinge sollten einfach unter Freunden bleiben.«
Im Nachhinein betrachtet, suchen mich diese Worte heim. Manche Dinge sollten einfach unter Freunden bleiben. Wenn ich zu lange darüber nachdenke, fange ich an zu weinen. Hätte ich damals gewusst, was ich jetzt weiß, ich hätte mich auf Yuls Seite geschlagen – und darauf bestanden, dass wir zum Thads oder überhaupt zu mir fuhren, um den halben Kasten Yuengling zu vernichten, der in meinem Kühlschrank lagerte. Eigentlich sollten wir diese Marke nicht trinken, weil die Yuengling-Brauerei vor wenigen Monaten die Gewerkschaft vor die Tür gesetzt hatte und deren Dachverband zu einem Boykott sämtlicher Produkte des Unternehmens aufgerufen hatte. Wir sollten zu unseren Arbeiterkollegen halten – Solidarität auf ewig, und all der Quatsch, obwohl wir selbst keine Gewerkschaftsjobs hatten und für GPS arbeiteten. Aber ich hatte noch einen halben Kasten von dem Zeug zu Hause. Und wir hätten den Boykott ignorieren und das Bier trinken können.
Ja, das hätten wir tun können.
Stattdessen fuhren wir zum Odessa .
Und dort lernte ich Sondra kennen.
3
Im Odessa herrschte selbst um diese frühmorgendliche Zeit reger Betrieb. Der Parkplatz war so voll, dass ich Mühe hatte, ein Fleckchen für meinen Jeep zu finden. Letztlich zwängte ich den Wagen zwischen einen SUV und einen Sattelschlepper, die hinter dem Lokal standen. Wir stiegen aus, und ich drückte auf die Fernbedienung, um die Türen hinter uns zu verriegeln.
Das elektronische Piepen der Schlösser wurde beinah von der gedämpften Musik übertönt, die aus dem Gebäude drang. Hip-Hop oder Trance, ich vermochte es nicht zu sagen. Alles, was wir wirklich hörten, waren die Bässe, die wie Donner grollten.
Auf dem Parkplatz trieben sich einige Gäste herum. Ein Bursche pinkelte neben eine Harley. Ich hoffte, sie gehörte ihm. Andernfalls würde ihm der Besitzer die Fresse polieren, sollte dieser herauskommen.
Der Bursche schien uns gar nicht wahrzunehmen, als wir an ihm vorbeigingen. Er schüttelte seinen Pimmel und stöhnte. Wir wichen dem Urinrinnsal aus, das sich über den Asphalt ausbreitete. Zwei weitere Männer stolperten lachend und mit halb leeren Bierflaschen der Marke Miller Lite an uns vorbei. Aufgrund der überholten Alkoholgesetze Pennsylvanias – die entstanden waren, als noch die Quakers und die Amish das Sagen hatten – durfte man ins Odessa ausschließlich eigene Getränke mitbringen. Flüchtig spielte ich mit dem Gedanken, die beiden Fremden zu fragen, ob sie Bier übrig hatten, das sie uns verkaufen würden.
In unserem Bundesstaat kann man sich nicht einfach einen Sechserpack im Lebensmittel- oder Gemischtwarenladen holen. Man muss in eine Bar oder zu einem Spirituosenladen mit staatlicher Lizenz, und davon hatten nachts alle geschlossen. Bevor ich die Kerle fragen konnte, waren sie an uns vorüber und wankten auf einen schlammverschmierten Pritschenwagen zu.
Seufzend und durstig folgte ich Jesse und Darryl zur Eingangstür. Yul hing zurück und starrte auf das grelle, blinkende Neonschild. Der Name des Lokals schillerte in rosa Buchstaben neben der dunklen Silhouette einer wohlproportionierten Frau.
»Mir gefällt das nicht«, murmelte er.
»Jetzt komm«, ermutigte ich ihn. »Das wird lustig. Kim muss es nie erfahren. Sag ihr einfach, wir sind zu mir gefahren. Oder besser noch, sag ihr überhaupt nichts. Sie weiß nicht, dass wir früher Schluss gemacht haben. Sie denkt ja, du wärst noch bei der Arbeit.«
»Vielleicht ...«
»He«, rief Jesse, der bereits an der Tür stand. »Kommt ihr zwei, oder wollt ihr die ganze Nacht hier draußen rumstehen?«
Ich zeigte ihm den Stinkefinger, was er mit derselben Geste erwiderte.
Wir beeilten uns, um zu ihm und Darryl aufzuschließen. Dann zog Jesse die Tür auf, und wir traten ein. Schlagartig wurde die Musik lauter. Ich spürte das Wummern der Bässe in der Brust und in den Zähnen. Es war etwas von Jay-Z, ich bin nicht sicher, was. Als Metal-Fan war ich nie ein großer Hip-Hop-Liebhaber. Eine Wolke Zigarettenrauch trieb auf uns zu – Pennsylvania mochte bescheuerte Alkoholgesetze haben, aber wenigstens darf man in unseren Kneipen noch rauchen. Wir gelangten in einen kleinen Eingangsbereich. An der Wand prangten in großen schwarzen Buchstaben mehrere Mitteilungen:
Kein Zutritt unter 21 Jahren.
Gemäss staatlichem Recht schenken wir keine alkoholischen Getränke aus;
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