Kill your friends
mal, Tony, ich …« Weiter komme ich nicht.
»Hör mir zu«, sagt er, »es reicht. Was du in deiner Freizeit machst, ist mir scheißegal, aber gestern Abend hast du uns vor den versammelten amerikanischen Kollegen nach Strich und Faden blamiert. Mit derartigen Aktionen ist jetzt ein für alle Mal Schluss.« Er sieht mich mit eisernem Blick an. Mir geht der Arsch auf Grundeis. »Ich denke, du brauchst Hilfe«, fügt er hinzu.
»Hilfe?«
»Wegen des Saufens und dem Koks.«
»Nun stell dich nicht so an«, sage ich, »ich habe mich nur ein bisschen über sie lustig gemacht. Sie war so eine aufgeblasene alte …«
»Sie ist Ashley Werners verdammte Frau.«
Scheiße. »Hör mal«, sage ich, »wir arbeiten ja noch nicht lange zusammen …«
»Jetzt hörst du mir mal zu, mein Freund«, schneidet er mir das Wort ab, »von mir aus können wir gerne Klartext reden. Wir arbeiten nicht ›zusammen‹. Du arbeitest für mich. Und solange du für mich arbeitest, solltest du besser den Arsch hochkriegen. Klar? Sign ein paar beschissene Hits, dann kannst du gerne beim Dinner ausrasten und dich lustig machen über wen immer du willst. Denn – das sage ich dir jetzt in aller Deutlichkeit – du bewegst dich auf dünnem Eis, Steven. Auf verdammt dünnem Eis.«
Er leert sein Glas, marschiert durch die Milchglastüren aus der Lounge hinaus und verschwindet im Gewimmel des Terminals.
Er hat völlig recht. Es reicht.
***
Ich komme früh am nächsten Morgen wieder in London an. Parker-Hall und ich haben während des Fluges weit voneinander entfernt gesessen, sind uns in den kunststoffverkleideten Gängen von Heathrow aus dem Weg gegangen und haben in der feuchten Morgendämmerung separate Taxis genommen. Zu Hause gehe ich sofort ins Bett, das ich anschließend eine Woche lang nicht mehr verlasse.
Ich rufe Rebecca an. »Fieber«, teile ich ihr mit, und sie bietet an vorbeizukommen. »Nein«, sage ich.
Sie sagt meine Meetings ab, und ich rolle mich wieder unter der Bettdecke zusammen. Ich falle in kurze Perioden fiebrigen Schlafes, aus denen ich oft schreiend wegen grauenerregender Albträume hochschrecke: Träume, in denen Trellick und ich in einem Konzentrationslager arbeiten und Säuglinge abschlachten; Träume, in denen ich von einem verkrüppelten Mann vergewaltigt werde; Träume, in denen ich auf dem Dach des Centre-Point-Tower stehe und Tausende von Nuklearraketen auf London herabregnen sehe; Träume mit hinterhältig grinsenden Hunden, die Injektionsnadeln als Zähne haben; Träume, in denen ich mit Rebecca verheiratet bin und unsere Babys auf mir herumkrabbeln, Babys, die keine Augen haben; Träume, in denen ich Waters’ Körper in meinen Armen wiege, während ich in das Loch in seinem Schädel greife und bis zu meinen Ellbogen darin herumstochere, so lange, bis ich meinen blutigen Arm wieder herausziehe und sehe, dass ich lauter kleine silberne Statuen umklammere: winzige Brit Awards, jede gerade mal so groß wie ein Gummibärchen.
Ich erwache schreiend. Das einzige Licht im Raum kommt vom Fernseher, auf dem entweder weißes Flimmern oder ein Hardcore-Streifen läuft. Denn bei mir läuft eigentlich ständig irgendein pornografischer Film. Ich sehe das Video von Annabel Chong, in dem sie sich an einem Tag von 300 Typen fünf- oder sechsmal durchficken lässt. Immer und immer wieder stöhnt und lutscht und schluckt sie. Immer und immer mehr spritzt das Sperma auf ihr Gesicht, den Bauch, die Brüste, die Fotze. Die Szene, in der sie ein gebrauchtes Kondom über ihren Mund stülpt und gierig den Inhalt schlürft, schaue ich mir bestimmt hundertmal an. Immer wieder schalte ich mit meinem tauben Daumen zwischen »Play« und »Rewind« hin und her. Anschließend sehe ich mir in Dauerschleife das Rape Tape an: eine Zusammenstellung, die so ein Typ, der als Cutter jobbt, für Ross gebastelt hat. Das Tape enthält genaugenommen sämtliche klassischen Vergewaltigungsszenen des modernen Kinos – Angeklagt, Wer Gewalt sät (Ist das ein Arschfick, oder ist es keiner?), Salvador (Nonnen-fantastisch!), Leaving Las Vegas, Clockwork Orange, Ich spuck auf dein Grab, Thelma & Louise (okay, der Typ hat ihn so gut wie drin, bevor die Lesbe ihn abknallt) – alles auf einem Band zusammengeschnitten. Wir haben oft diskutiert, ob wir das Ding nicht kommerziell ausschlachten sollen. Ich bin mir sicher, dass es dafür einen Markt gibt. Aber Trellick sagte, man würde zu viele Probleme mit der Klärung der Rechte und dem Vertrieb
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