Kill your friends
Junge, der heftig aus einer Stirnwunde blutet, torkelt auf den Saab zu. Er wird von der Straße gezogen und verschwindet in einem Gewirr aus Fäusten und Tritten, weil sich drei Kerle auf ihn stürzen und die Scheiße aus ihm herausprügeln. Eine Handvoll Pommes frites regnet auf den Wagen herab, und ich trete aufs Gas.
»Willkommen in Rotherham«, sagt Barry lachend.
»Ich hätte den Wagen am Scheißhotel stehen lassen sollen«, sage ich. Der Club ist ein gigantischer Metallhangar im Gewerbegebiet der Stadt. Von außen betrachtet könnte er auch eine Bowlingbahn, eine Eissporthalle oder ein Schwimmbad sein. Bloß das dumpfe Wummern der Bässe und der wütende Mob, der vor der Halle um Einlass bettelt, entlarven ihn. Ein Rudel Türsteher in schwarzen Bomberjacken und mit kleinen Ohrsteckern steht mit ausdruckslosen, mongoloiden Gesichtern Kaugummi kauend oben auf der Treppe. Während Barry mit einem von ihnen spricht – und wir in dunklen Jeans und schwarzen oder dunkelblauen Kashmir-V-Neck-Pullis daneben stehen und warten –, mustern uns die Dorfasis von Rotherham mit misstrauischen Blicken. Wir sind die Einzigen hier, die keine schlabbrigen XL-Ralph-Lauren-Polohemden in sehnervzersetzenden Farben wie Zitronengelb, Violett und Türkis tragen. Die Temperaturen liegen knapp über dem Gefrierpunkt, und wir sind die Einzigen, die Mäntel tragen.
Schließlich, nach kurzem Gegrunze in die Headsets und diversen barschen »’tschulligung«, dirigiert uns ein Geleit aus zwei Rausschmeißern durch das Gedränge. Das rote Absperrseil wird hochgehoben, und wir werden von einer Pfeife namens Steve – dem Promoter vermutlich – einen mit dickem Teppichboden ausgelegten Korridor entlangeskortiert. Er scheint sehr erfreut darüber zu sein, ein paar Londoner Musikindustrietypen in seinem Drecksloch begrüßen zu dürfen. »Ihr werdet euch heute Nacht scheißgut amüsieren, Jungs. Die Birds, hier drin? Das geht so was von endkrass ab, aber so was. Wir hatten vor ’ner Zeit die FFRR-Truppe hier. Pete Tongs Haufen, ihr kennt euch doch bestimmt persönlich?« Barry beantwortet die Fragen des Losers, während die Musik lauter und lauter wird.
»Und los geht’s, willkommen im besten Club hier im Norden«, sagt Steve, reißt eine Schwingtür auf, und wir marschieren geradewegs in den Hades. 2000 Mädels in Bikini-Oberteilen – und unzählige teflonbeschichtete Argumente für die Massensterilisation – rasten im Takt einer grauenhaft cheesigen House-Platte kollektiv aus. Der DJ residiert hoch über der tobenden Masse in etwas, das wie ein stählernes Ei aussieht. Er trägt eine Baseballkappe mit einem gigantischen Schaumstoffpenis am Schirm. Kein Scherz. Steve, der Promoter, grinst stolz übers ganze Gesicht.
»Wow«, sagt Trellick.
»Lasst uns die ganze Scheiße von der Erdoberfläche radieren«, flüstert Ross.
Wir bekommen einen Tisch im VIP-Bereich: eine winzige, mit einem Seil vom Club abgetrennte Bar mit ein paar von Brandlöchern und Schnapsflecken verunstalteten Sofas. Darin sitzen Gestalten, die nur lokale VIPs sein können: Frisösen und Dritte-Liga-Fußballer. Ein paar der Tussen sind in ihrer schamlos verdorbenen Art allerdings nicht zu verachten.
»Der erbarmungslose Norden«, sagt Ross lachend und öffnet die Flasche Moët, die Steve stolz auf unserem Tisch platziert.
Wir machen das Beste aus der grässlichen Situation, labern Scheiße, quatschen Mädchen an, leeren Flasche für Flasche von unserem Gratisblubberwasser und gönnen uns dann und wann verstohlen ein Näschen Koks.
Es ist beinahe zwei Uhr morgens – jeder, absolut jeder in dem Hangar steht kurz vor der Alkoholvergiftung: abgefüllt mit Stella, Bacardi-Breezer, Wodka Red Bull, Speed, Ecstasy und all dem grauenhaften Müll, den sich die minderbemittelten Spastis an Orten wie diesen so reinpfeifen –, als ich vertraute Klänge vernehme. Erst einen Drum-Loop und dann diese betont sexy Frauenstimmen. »Komm mit«, sagt Barry und zieht mich geradewegs ins Getümmel. Gruppen von Mädchen drängeln Richtung Tanzfläche und schubsen uns zur Seite. Die Jungs strömen hinterher. Überall wird gejuchzt und gejohlt. Trellick und ich sehen uns an. Dann geht der Song richtig los.
Auf einmal dreht der komplette Laden am Rad. Mit offenen Mündern sehen wir uns das Spektakel an. Alle Mädchen hier können jedes einzelne Wort des Songtextes mitsingen. Dutzende von ihnen tanzen diesen lustigen kleinen Tanz. Das ist ohne Zweifel die großartigste Resonanz auf eine
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