Killashandra
die Terrassen, die Brotbäume, die Häuser, den alten Vulkan auf dem Engelskopf und die gerade auslaufenden Fischerboote. Sie stellte fest, daß sie Angel Island nicht verlassen wollte. Jemand berührte ihren Arm; es war Olav, der zwei Girlanden in der Hand hielt.
»Erlauben Sie mir, Sie in einen Brauch dieser Inseln einzuführen, Gildenfrau.« Er legte ihr die duftenden Blü-
ten um dem Hals. Killashandra erkannte den Kranz als jenen, den Lars ihr geflochten hatte. Olav gab den zweiten seinem Sohn. »Werde deiner Verantwortung als Wächter der Gildenfrau gerecht, mein Sohn, und kehr erst zu uns zurück, wenn du sie wohlbehalten zum Raumhafen gebracht hast!«
Bevor Killashandra sich äußern konnte, war Olav schon wieder zurückgetreten. So konnte sie diesen Ver-trauensbeweis nur mit einem Lächeln erwidern und zum wartenden Boot weitergehen. Sie wischte sich ungeduldig die Tränen aus den Augen, bevor jemand anders sie bemerkte, und setzte sich in der Mitte des Bootes unter den Baldachin. Sie war nicht überrrascht, als Lars nicht zu ihr kam, denn sie konnte sich vorstellen, daß er von Olavs Abschiedsgeschenk ebenso überrascht worden war wie sie selbst.
Sie starrte den mächtigen Rumpf des Kreuzers an und mochte ihn immer weniger, je näher sie ihm kam. Und auf der dreitägigen Rückfahrt in die Stadt änderte sich ihre Meinung nicht. Der Kapitän, ein spröder Mann namens Festinel, erwartete sie an der Gangway und führte sie höchstpersönlich zu ihrer Kabine. Er erklärte, daß ihr Leibwächter in der Nachbarkabine in Hörweite untergebracht werde. Sie erhob keine Einwände, obwohl sie sah, daß diese Fahrt eine Wiederholung der Trundomoux-Reise würde. Nun, das hatte sie auch überlebt. Lars, der ihr dich-tauf gefolgt war, wurde überschwenglich von Kapitän Festinel begrüßt.
Beim Abendessen wurde durch Festinels unterwürfiges Verhalten Lars gegenüber schnell klar, daß der Kapitän des Kreuzers vom seemännischen Können des Inselbewohners beeindruckt war, oder besser vom falschen Bericht über die Rettung Killashandras von der durch gefährliche Riffe abgeschirmten Insel. Killashandra sagte in der Offiziersmese kaum ein Wort, weil sie müde war.
Sie spürte die gedämpfte Kristallresonanz in den Knochen, doch sie war nicht stark genug, um bei den Menschen in ihrer Nähe die Haare aufzustellen. Sie antwortete freundlich, doch zurückhaltend auf alle Fragen und beschränkte sich meist auf ein rätselhaftes Lächeln. Der Älteste Torkes warf ihr immer wieder besorgte Blicke zu, doch er bezog sie nicht in die Unterhaltung ein. Sie war es zufrieden. Sollte er sich weiter den Kopf zerbrechen und verzweifelt sein Gleichgewicht suchen. Aber wie konnte sie mit Lars eine einigermaßen normale Beziehung aufrechterhalten, wenn ihre Quartiere im Konservatorium überwacht wurden?
Auf dem überfüllten Kreuzer gab es ohnehin keine Möglichkeit, ungestört zu reden oder gar Zärtlichkeiten auszutauschen. Die Abstinenz nach der Fülle half nicht, ihr Temperament zu beruhigen. Derart beschäftigt, bemerkte sie das feine Wimmern erst am zweiten Abend; sie war während des ganzen Abendessens sehr unruhig und rieb sich immer wieder den Nacken und die Ohren. Irgend etwas stimmte nicht.
»Sie sind heute abend aber sehr unruhig, Gildenfrau«, sagte Lars schließlich, nachdem er ihr Gezappel eine Weile beobachtet hatte. Er sprach leise, nur für ihre Ohren, doch seine Worte waren am ganzen Tisch zu hö-
ren.
»Es sind nicht meine Nerven. Benutzt der Kreuzer einen Kristallantrieb?« Sie stellte die Frage in lautem an-klagenden Tonfall und blickte Kapitän Festinel an.
»In der Tat, Gildenfrau, und ich muß Ihnen leider mitteilen, daß wir derzeit einige Schwierigkeiten mit dem Antrieb haben.«
»Er muß dringend überholt werden, sobald Sie im Hafen sind. So wie er jetzt klingt, wird er morgen früh Obertöne erzeugen.«
»Der Ingenieur hat eine ungleichmäßige Leistungsab-gabe gemeldet, aber wir müßten wohlbehalten das Festland erreichen.«
»Haben Sie die Geschwindigkeit reduziert?«
»Natürlich, Kristallsängerin, sobald die Instrumente eine Resonanz aufzeichneten.«
»Was ist denn los mit dem Kreuzer?« fragte der Älteste Torkes, der erst jetzt bemerkte, worüber sich die anderen unterhielten.
»Nichts, worüber Sie sich Sorgen machen müßten«, sagte Killashandra knapp, ohne in seine Richtung zu blik-ken, denn sie rieb sich wieder den Hals. Sie spürte, wie Lars neben ihr erstarrte. Er schnaufte leise.
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