killer country: thriller (German Edition)
Wien gekauft hatten, wo er Obed so gefallen hatte. Sechs Monate mit Obed Chocho waren kein Vergnügen. Die zwei Wochen bis zu seiner vorzeitigen Entlassung konnten für den Commander nicht schnell genug vorübergehen.
»Morgen Nachmittag«, erklärte er, »erhalten Sie einen Ausgangspass.«
»Das hätten Sie mir früher sagen können«, erwiderte Obed und schwang die Beine vom Bett. »Erst am Tag zuvor, he, was soll das? Ist ja ganz prima. Jetzt mach schon, Obed, sollen die anderen eben alles stehen und liegen lassen und dich abholen, um mit dir zum Strand zu fahren. Hier, ein leckeres Eis für dich, Obed. Also echt, Brother – am Tag zuvor!«
»So ist das nun mal«, erklärte der Commander. »Ein erster Schritt auf dem Weg zur vorzeitigen Entlassung.« Die Anweisung war tatsächlich bereits Mitte der Woche eingetroffen, aber er hatte sie bewusst zurückgehalten.
»Ganz prima«, sagte Obed. »Ich hab volle zwölf Jahre auf der Insel verbracht, Brother. Da gab’s keinen Sonntagsausgang. Keine Vorbereitung auf die Entlassung. Hier bin ich seit vier Monaten. Ein Sonntagsausgang ist eine echte Beleidigung.«
»Nach vier Monaten sind Sie dazu berechtigt«, erwiderte der Commander und erhob sich. Er wollte diese Unterhaltung so kurz wie möglich halten. »Von vierzehn bis siebzehn Uhr. Kein Alkohol.«
Obed Chocho schlug mit der rechten Faust in seine linke Hand. »Ist das ein Befehl?«
»Ich muss das sagen.«
»He, Brother.« Zwei weitere Schläge, kurz und schallend. »Sie bewegen sich hier auf echt dünnem Eis. Das wissen Sie – oder?«
Der Commander spürte, wie es in seinen Handflächen heiß zu brennen begann. Er wollte gerade erklären, dass er auch auf der Insel gewesen sei, als Obed Chochos Handy klingelte. Der Commander wandte sich zum Gehen.
Obed Chocho sagte: »Warten Sie. Einen Moment. Okay?« Nahm gut gelaunt ab. »Ms Sheemina February.« Er lauschte. Lachte. Sah den Commander an. Erklärte: »Ich habe gerade den Commander hier.« Schwieg. »Nein, nein. Er hat nichts dagegen, etwas zu warten.«
Der Commander stand angespannt zwischen Couch und Tür. Obed Chocho ignorierte ihn. Schaute zum Fenster mit dem Blick auf den Gefängnishof, wo einige Insassen Volleyball spielten. Der Commander trat an den Schreibtisch. Drei ordentliche Stapel: vier Taschenbücher aufeinander, obenauf Schuss ins Schwarze ; ein linierter A4-Block mit den Namen Henk und Olivia Smit mit Bleistift geschrieben; und ein Haufen ausgedruckter SMS -Nachrichten.
Obed Chocho sagte: »Was ist das? Popo? Ja, klar. Dlamini. Natürlich. Ich weiß. Das ist kein Problem.«
Der Commander warf einen Blick auf die Nachrichten, von denen einige Obed Chocho nicht gerade erfreut haben dürften. Die von Popo an Lindiwe. Die von ihr an Popo. Die Sorte Nachrichten, die man nicht verschicken sollte.
Der Commander lächelte und nahm den Pelecanos-Roman in die Hand. Er blätterte bis zu der Seite, die Obed durch ein Eselsohr markiert hatte. Nach einem Drittel der Seite schniefte ein Protagonist weißes Pulver aus der Krümmung seines Daumens ein. Der Commander konnte sich gut vorstellen, dass Obed Chocho aus Erfahrung wusste, wie high man sich danach fühlte.
Chocho stand noch immer mit dem Rücken zu ihm da. »Ich habe morgen Nachmittag Freigang. Wie wäre es, wenn Sie ein Treffen vereinbaren würden? Was?« Er horchte. Meinte: »Ist mir gerade erst mitgeteilt worden.« Er drehte sich zum Commander und hielt ihm das Handy entgegen. »Meine Anwältin.«
Der Commander nahm das Telefon und hörte Sheemina February sagen: »Die Vorschriften setzen genau fest, dass man mindestens achtundvierzig Stunden vorher darüber informiert werden muss, Commander. Wie erklären Sie, dass Sie das unterlassen haben?«
»Ich kann nichts dafür«, erwiderte er. »Wenden Sie sich an die Gefängnisleitung, wenn Sie sich beschweren möchten.«
»Das werde ich«, sagte Sheemina February. »Jetzt möchte ich aber erst einmal wissen, wann Sie es erfahren haben. Heute Morgen? Gestern? Vor vier Tagen? Wann, Commander?«
»Gestern.«
»Gestern. Und Sie haben bis heute Vormittag gewartet? Wie soll Mr Chocho so kurzfristig noch Verabredungen treffen?« Sie machte eine Pause. »Sie werden von mir hören, Commander. Ganz offiziell. Jetzt geben Sie mir Mr Chocho wieder.«
Der Commander reichte Obed Chocho das Handy zurück. Eine verdammt unangenehme Person, diese Sheemina February. Er hatte sie schon früher im Zusammenhang mit der muslimischen Antidrogen-Bürgerwehrgruppe
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