killer country: thriller (German Edition)
nicht leiden, wenn er bei den Sopranos unterbrochen wurde. Lindiwe hatte das durch eine aufgeplatzte Lippe schnell begriffen. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass ihr Obed mit dem Handrücken eine verpasst hatte, doch bei den anderen Malen war er besoffen gewesen. Bei den Sopranos nicht.
Es war zehn Uhr vormittags gewesen. Sie brachte ihm Kaffee und Toast mit Orangenmarmelade auf einem Tablett ans Bett. Machte es ihm gemütlich, verwöhnte ihn, war bereit, einen nassen Sonntag im Winter ganz ihm zu widmen. Sie durchquerte sein Sichtfeld, um das Tablett abzustellen. Durchquerte es noch einmal, um auf ihrer Seite des Bettes wieder hineinzuschlüpfen.
Sie beugte sich zu ihm, der Ausschnitt ihres Negligees fiel etwas nach unten, und er konnte einen guten Blick auf ihre Brüste werfen. Ihre Brustwarzen überlang, länger als alle anderen Brustwarzen, die er jemals zu Gesicht bekommen hatte. Also zeigte er ihr, wo es langging. Während sie erwartete, dass er sie zu sich herabzog, schlug er sie so heftig, dass ihre Lippe durch seinen Ehering aufplatzte.
Fragte: »Was schaue ich mir da gerade an?«
Lindiwe – in Tränen aufgelöst, Blut auf ihrem Negligee – schniefte die Antwort.
»Ausgezeichnet«, sagte er. »Das ist nichts, was du nicht weißt.«
Den Commander hingegen fragte er: »Kennen Sie Die Sopranos ?«
»Ich habe sie mir angeschaut«, erwiderte der Commander und setzte sich auf die Couch Chocho gegenüber. Er betrachtete den Mann mit dem kahl rasierten Schädel, der es sich mit zwei Kissen im Nacken auf dem Bett bequem gemacht hatte. Es war ein gewöhnliches Krankenhausbett mit einem Kopfteil aus Metall, über das sich Chocho beschwert hatte. Schließlich durfte er ja Besuch seiner Ehefrau im Gefängnis empfangen, und wie sollte irgendetwas Romantisches auf einem solchen Einzelbett passieren?
Der Commander konnte sich das durchaus vorstellen, vor allem mit Mrs Lindiwe Chocho. Aber er zwang sich dazu, ihr nacktes Bild zu vertreiben.
Das Bett, das Chocho verlangte, konnte er auch nicht liefern. In Wahrheit hatte er es gar nicht versucht. Nein, das würde zu weit gehen. Der Mann war schließlich ein Gefangener. Saß vier Jahre wegen Betrugs. Der Commander schnalzte mit der Zunge. Nein. Zum Teufel – nein.
Obed Chocho war auch wegen anderer Vergehen angeklagt gewesen: wegen Bestechung, Korruption, Erpressung. Der Staatsanwaltschaft war es nur nicht gelungen, ihn dieser Taten zu überführen. Doch das machte Obed Chocho in den Augen des Commanders nicht weniger schuldig. Also kein Doppelbett.
Pech gehabt. Mr Chocho hatte es so bequem, wie er es bekommen konnte. Ein eigenes Zimmer im Krankenhaustrakt des Gefängnisses. Eigene Toilette und Dusche auf der anderen Seite des Flurs. Er durfte Essen bestellen. Hatte Handyzugang. Von oben lautete die Parole: Haltet Obed bei Laune.
Was er auch tun wollte. Sein Job und seine Karriere waren schließlich wichtige Bestandteile seines Lebens. Der Rang des Commanders sollte nicht die letzte Stufe nach oben bleiben. Falls er das hier vermasselte, konnte das jedoch der Fall sein. Also spielte er mit. Als er die Anweisung bekam, Obed Chocho für diesen Sonntagnachmittag einen Ausgangspass auszustellen, kam er diesem Wunsch nach.
Er sagte zu Obed Chocho, der sich mit seiner Lieblingsserie in einer grünen Trainingshose und einem T-Shirt entspannte: »Können Sie das für einen Moment anhalten?«
Obed runzelte die Stirn. »Was?«
»Halten Sie den Film an.« Sein Satz überraschte ihn selbst. Klar und eindeutig. Er war zufrieden mit sich und fühlte sich zugleich angespannt. Sah, wie Obed ihn kalt anstarrte, doch er wich dem Blick nicht aus.
Obed ließ ihn nicht aus den Augen, während er seine rechte Hand mit der Fernbedienung hob und diese auf den Fernseher richtete. Auf seiner Stirn stand eindeutig die Frage: Wollen Sie sich das nicht noch mal überlegen?
Der Commander wartete. Auf dem Bildschirm war Tony Soprano bei seiner Psychotherapeutin Dr. Jennifer Melfi zu sehen, der er gerade von seinem Leben erzählte. Die Kamera zoomte auf Tonys Gesicht, auf diesen perplexen Ausdruck, den er wie ein bevorzugtes Kleidungsstück trug. Der Bild erstarrte.
Obed Chocho senkte den Arm. Er sagte kein Wort. Ließ den Commander nicht aus den Augen.
Dieser gab schließlich auf und betrachtete das Bild an der Wand. Ein verschneites Dorf in einem Tal. Jäger und Hunde, die einen Hügel herabkamen. Ein Druck, den Mrs Chocho mitgebracht hatte. Ein Druck, den sie in einem Museum in
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