Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
vermeintlichen Spritztour in dessen Wagen, einem geliehenen Mercedes Cabrio, eingeladen. Da Jonas Brückner nicht mitfährt, kann er zu der kurz darauf erfolgten Tötung des Opfers keine näheren Angaben machen. Auch weiß er nicht, wo sein Freund die Leiche anschließend versteckt hat.
Mord Nummer drei:
In den Abendstunden des 27. März 1992 ruft Jürgen Broschat – wie zuvor abgesprochen – Jonas Brückner an, der daraufhin seinem Stiefvater gegenüber behauptet, ein Freund sei in der Nähe von Moers mit dem Wagen liegengeblieben und benötige Hilfe. Zudem spielt er ihm vor, er wäre vom Tod der Stiefmutter noch zu betroffen, um sich selbst ans Steuer setzen zu können.
Auf einer Landstraße an der Peripherie von Moers wartet Jürgen Broschat mit seinem Pkw, auf der Heckscheibe prangt ein Aufkleber, auf dem »Polizei« steht. Nach einem Überholmanöver wird Hans-Martin Gross durch Jürgen Broschat, der augenscheinlich eine Polizeilederjacke trägt, mit einer Kelle, eigentlich ein Fahrradabstandhalter, zum Anhalten aufgefordert. Es soll eine Verkehrskontrolle vorgetäuscht werden. Aus diesem Grund hat Jonas Brückner einige Stunden zuvor den TÜV-Stempel des Autokennzeichens mit einem Messer unkenntlich gemacht, damit seinem Stiefvater dieser vermeintliche Verkehrsverstoß vorgehalten werden kann. Der weitere Tatplan sieht vor, Hans-Martin Gross durch Schläge zu betäuben, ihn anschließend auf nahegelegene Bahngleise zu legen und von einem Zug überrollen zu lassen, um damit einen Suizid vorzutäuschen.
Es gelingt zwar tatsächlich, dem Stiefvater eine Verkehrskontrolle vorzugaukeln, doch schafft Jürgen Broschat es nicht, ihn bewusstlos zu schlagen. Deshalb greift Jürgen Broschat entgegen dem ursprünglichen Plan zur Pistole und erschießt ihn. Anschließend legt er das Opfer in dessen Wagen ab. Auch in diesem Fall lässt Jonas Brückner sich von seinem Freund nicht darüber informieren, wo er den Leichnam entsorgt hat. Er selbst reinigt am Morgen nach der Tat das Opferfahrzeug und stellt es anschließend an einem belebten Ort ab. Kurz darauf fährt er ins Präsidium, um seinen Stiefvater als vermisst zu melden.
Als ich mit dem Aktenstudium fertig war, fehlten mir die Worte. Ich war regelrecht fassungslos. Zwei junge Männer hatten drei Menschen ermordet, um, wie Jonas Brückner es merkwürdig distanziert ausgedrückt hatte, »forciert erben« zu können. Was sind das bloß für Menschen, fragte ich mich. Wie wird man so?
Wenig später erklärte mir Karl-Josef Röttgen meine Aufgabe in dieser Mordkommission. Weil Jürgen Broschat nicht auffindbar war, wurden eine ganze Reihe von Telefonanschlüssen abgehört, um seinen Unterschlupf ausfindig machen zu können. Zu dem überwachten Personenkreis aus seinem sozialen Umfeld zählte auch die Großmutter des Flüchtigen.
Ich würde also fortan live mitanhören, mit wem die Dame worüber sprach, und Wortprotokolle darüber anfertigen. Eine staubtrockene Tätigkeit, die mich nicht unbedingt begeisterte. Bei meiner großen Erwartungshaltung hatte ich mir eigentlich etwas Spannenderes gewünscht.
Meine Gedanken kreisten derweil um die beiden Täter. Ich konnte einfach nicht begreifen, wie man zu derart grausigen Verbrechen fähig sein kann, kaltblütig verübt an dem nächsten Angehörigen und an Frauen, mit denen man das Bett geteilt hat. Einerseits verabscheute ich die beiden Männer, andererseits machten sie mich unendlich neugierig.
Deshalb versuchte ich mich der Sache anzunähern, indem ich die Vernehmungsprotokolle von Jonas Brückner durchlas. Und die lebhaften Schilderungen der Kollegen, die mit dem Serienmörder sprachen, sog ich auf wie ein Schwamm. Besonders irritiert zeigten sich die Vernehmungsbeamten davon, dass Jonas Brückner so nüchtern und ausdruckslos von den Taten berichtete, als hätte er jeweils nur als Unbeteiligter danebengestanden und zugeschaut. Nach anderthalb Tagen mussten die vernehmenden Kollegen ausgetauscht werden, weil es ihnen zu viel geworden war – es gibt eben Grenzen der eigenen Leistungs- und Leidensfähigkeit, die man besser akzeptiert und danach handelt.
Da ich Jonas Brückner selbst leider nicht zu Gesicht bekam, schlich ich mich an das Büro heran, in dem er vernommen wurde, und lauschte an der Tür. Als ich seine schnarrende monotone Stimme zum ersten Mal hörte, bekam ich eine Gänsehaut. Nun konnte ich noch besser verstehen, warum meine Kollegen, die zuvor mit dem Mann gesprochen hatten, irgendwann ausgestiegen
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