Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
Frontbereich des Wagens. Das Opfer war wohl im Begriff, sich eine Zigarette zu drehen, als der tödliche Schuss fiel. Dass der Mann Suizid begangen haben könnte, bezweifeln die Polizisten, weil weder im Auto noch in der näheren Umgebung eine Waffe zu finden ist. Demnach spricht alles für ein Tötungsdelikt.
Genauso sehen es die Kriminalbeamten der Polizeidirektion Kassel, die nach Mitternacht mit der Tatortaufnahme beginnen und erste Spuren am Wagen und am Opfer selbst sichern. Fündig werden die Spezialisten, als sie nur wenige Meter vom Auto entfernt eine Patronenhülse entdecken. Zu denken gibt ihnen, dass es sich bei dem Tatort um einen überregional bekannten Treff für Homosexuelle handelt. Aber ob dieser Aspekt tatrelevant ist, bleibt zunächst ungewiss.
Nachdem die unaufschiebbare erste Spurensicherung abgeschlossen und der Wagen des Opfers sichergestellt ist, werden alle weiteren Untersuchungen wegen der fortgeschrittenen Zeit und der widrigen Sichtverhältnisse auf den nächsten Tag verschoben.
Allerdings ist bereits eine Großfahndung für den Landkreis Kassel eingeleitet worden. Innerhalb dieser Maßnahme wird gegen 0.20 Uhr etwa einen Kilometer vom Tatort entfernt ein schwarzer Mercedes mit auffällig abgedunkelten Scheiben kontrolliert. Aus dem Führerschein des Fahrers ergeben sich folgende Personalien: Justus Kramer, 41 Jahre alt, wohnhaft in Eiterhagen, einer kleinen Gemeinde etwa fünfzehn Kilometer von Kassel entfernt. Der Mann kann zwar nicht schlüssig erklären, warum er nachts unterwegs ist und wo er hinwill, doch die Beamten lassen ihn schließlich weiterfahren, weil sich in seinem Wagen keine verdächtigen Gegenstände finden und er auch nicht gesucht wird.
Zur Klärung des mysteriösen Verbrechens auf dem Parkplatz setzt die Kripo Kassel eine Mordkommission mit 24 Beamten ein, die am Sonntag ihre Arbeit aufnimmt. Etwa drei Dutzend Schutzmänner der Bereitschaftspolizei suchen das Gelände rund um den Tatort nach Spuren ab. Auch ein Polizeihubschrauber mit einer Wärmebildkamera überfliegt das Gelände am Parkplatz und den nahegelegenen See. Gefunden wird jedoch nichts.
Die Identifizierung des Opfers anhand seines Führerscheins und die Erhellung seiner Lebensumstände gelingen schnell. Bei dem Toten handelt es sich um Harald Huber, einen 43-jährigen Ingenieur, wohnhaft gewesen in Söhrewald. Der Mann hinterlässt eine Ehefrau und zwei Töchter, sieben und neun Jahre alt. Erste Ermittlungen im sozialen Umfeld des Opfers ergeben, dass Harald Huber nur wenige soziale Kontakte pflegte. Bis 2005 war er zwölf Jahre lang regelmäßig im Ausland tätig gewesen, letztmals in Indonesien. Dort hatte er die Instandsetzung von Gebäuden betreut, die durch den Tsunami beschädigt worden waren. Nach seinem krankheitsbedingten Ausscheiden aus der Firma war er arbeitslos. Das Auto, mit dem er zur Tatzeit unterwegs war, hatte er sich von einem Bekannten geliehen, weil sein eigenes in der Werkstatt war.
Nach dem vorläufigen Ergebnis der Obduktion muss davon ausgegangen werden, dass Harald Huber den Folgen der Schussverletzung erlag. In seinem Gehirn haben die Rechtsmediziner ein Projektil vom Kaliber 7,62 gefunden.
Aufgrund der Erkenntnisse von Spurensuche und Obduktion lässt sich der Tathergang grob rekonstruieren: Das Opfer saß im Wagen und ist vom Täter von links angesprochen worden. Als Harald Huber daraufhin die Scheibe herunterkurbelte oder die Fahrertür öffnete, traf ihn die Kugel, die außerhalb des Wagens aus Nahdistanz abgefeuert wurde, an der linken Schläfe knapp über dem Ohr und verletzte ihn tödlich. Der Täter kann demnach nicht auf dem Beifahrersitz gesessen haben. Harald Huber muss arglos gewesen sein, denn er starb, während er sich in aller Ruhe eine Zigarette drehte hat. Wie es dem Täter gelungen ist, das Opfer zu überraschen, bleibt indes unklar.
Den Ermittlern erscheint es unwahrscheinlich, dass es auf dem einsam gelegenen Parkplatz zu vorgerückter Stunde eine zufällige Begegnung zwischen Täter und Opfer gegeben haben könnte, die dann binnen kürzester Zeit einen tödlichen Verlauf genommen hat. Sie vermuten vielmehr, dass Harald Huber in eine Falle gelockt worden ist. Demzufolge gehen sie von einer Beziehungstat aus und konzentrieren ihre Ermittlungen zunächst auf das Umfeld des Getöteten.
In einem späteren Interview sagte die Ehefrau des Täters über ihren Mann: »Ich habe meinen Mann kennengelernt, als mich mein damaliger Freund versetzt hat. Als ich
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