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Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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Fahrzeuge vor uns wie hypnotisiert – entweder das, oder sie war ganz davon in Anspruch genommen, die Ereignisse zu verarbeiten. Ich hatte keine Ahnung, wie ich ihr die Situation erklären sollte. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte, in welcher Reihenfolge ich ihr erklären sollte, was alles passiert war, damit sie sich einen Reim darauf machen konnte. Sollte ich ihr sagen, dass der Mann, mit dem sie geflirtet hatte, ein Schauspieler war, dass sie in einem Stück, in dem bestimmte Leute nur so zum Spaß mein Leben auf den Kopf stellten, eine Statistenrolle spielte? Oder schickte ich voraus, dass in und hinter unserem Haus, als ich es verließ, drei Leichen lagen? Leichen von Menschen, denen sie nie begegnet war – darunter auch die entsetzlich verstümmelten sterblichen Überreste einer jungen Frau, mit der ich die Nacht durchgezecht hatte?
    »Ich verstehe nicht«, sagte sie plötzlich. »Ich verstehe überhaupt nicht, was hier los ist.«
    »Lass uns in Ruhe darüber reden«, sagte ich. »Im Moment sehen wir besser zu, dass wir diese Nacht aus der Stadt rauskommen. Ein Stück die Küste rauf, vielleicht bis Tampa. Da suchen wir uns ein Hotel, irgendeine Bleibe. Ich muss mir erst überlegen, wie es weitergehen soll.« Mir fiel wieder ein, dass meine Kreditkarten gesperrt waren, möglicherweise meine Girokarten inzwischen auch. »Hast du Geld dabei?«
    »Keine Ahnung.« Sie sah sich vage um, runzelte dann die Stirn. »Ich hab meine Handtasche nicht dabei. Die ist im Krankenhaus.«
    »Ach so, ja«, sagte ich. »Okay, kein Problem.«
    Doch es war ein Problem. Ich konnte mich nicht erinnern, wie viel ich von meiner Barabhebung heute Morgen übrig hatte, aber viel konnte es nicht sein. Wir hatten nichts dabei, keine Kleider, keine Kreditkarten, nichts. Am Ende würden wir im Wagen schlafen müssen, doch dafür ging es Steph nicht gut genug.
    Als wir an der nächsten Ampel standen und ich alle zwei Sekunden in den Rückspiegel starrte, weil ich davon überzeugt war, dass sich im Schutz des Verkehrsstroms jemand hinterrücks anschleichen würde, um im geeigneten Moment zuzuschlagen – spürte ich, dass meine Hosentasche vibrierte. Ich achtete nicht darauf. Mir fiel niemand ein, der noch am Leben war und mit dem ich reden wollte, außer mit der Frau, die bereits neben mir im Auto saß. Nach einer Weile hörte es auf. Doch dreißig Sekunden später folgte das Geräusch, das eine SMS ankündigte.
    »Wer ist das?«, fragte Steph.
    »Keine Ahnung«, sagte ich, kramte das Handy aus der Jeans und reichte es ihr. »Lies mal.«
    Sie warf einen Blick darauf, und ich merkte, wie die Temperatur im Wagen um einige Grad fiel. »Was?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ich hab wohl kaum das Recht, mich aufzuspielen.«
    Sie gab es mir zurück. Auf dem Display stand:
    Ich bin zu Hause. Hier gehen seltsame Dinge vor,
und ich hab Angst. Bitte ruf an. Karren.
    Ich machte ein so halsbrecherisches Wendemanöver, dass es uns fast Kopf und Kragen gekostet hätte.

49
    J etzt geht es nur noch um uns«, sagt sie.
    Hunter ist sich nicht sicher, ob das jemals der Fall sein wird, doch er folgt ihr glücklich und zufrieden über das Dünengras. Er ist sich nicht sicher, ob das Leben einem jemals Ruhe gibt. Es sitzt einem ständig im Nacken. Das Leben ist wie ein Hund, der um jeden Preis menschliche Aufmerksamkeit braucht und einen so lange nervt, bis er sie bekommt.
    Nach einer Weile wird ihm allerdings bewusst, dass sie in Wahrheit nicht über Gras gehen, was ihn überrascht – er ist sich ziemlich sicher, dass er erst gestern hier im Wagen gesessen und gesehen hat, wie sehr sich alles verändert hatte. Heute Abend scheint sich die Natur diesen Teil des Key zurückerobert zu haben – struppige Büsche, schief stehende Palmen, Gräser, die über die Sandpfade wuchern, hier und da sumpfige Abschnitte.
    In wenigen Minuten sind sie unten am Strand. Dort blendet die Sonne so sehr, dass sie alles in weißes Licht taucht. An manchen Abenden kann das so sein, denkt er noch.
    Er hält ihre Hand, und sie schlendern durchs seichte Wasser, betrachten ihre eigenen Füße. Sie fragt ihn, wo er gewesen sei und was er gemacht habe. Er will nicht darüber reden. Diese Jahre waren eine endlose Wartezeit, das ist jetzt vorbei und nicht mehr wichtig.
    Er will sich aber auch nicht beeilen, doch er weiß, dass sie weitermüssen. Er weiß, dass sie nicht allein an diesem Strand sind.
    Als er sich schließlich umdreht, sieht er sie.
    Sie ist weit weg

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