Killerspiel
sei man selbst oder ein Freund oder Angehöriger doch nicht ganz so krank und alles würde mit Hilfe eines Latte macchiato und eines dürftigen Muffin wieder gut. Ich eilte schnurstracks an der Seite der Cafeteria entlang und suchte die Tische ab, an denen ein Querschnitt durch die lokale Bevölkerung prekär auf zarten Designerstühlen saß. Es war schwer, jemand Bestimmtes zu finden.
Schließlich sah ich sie, über einen Tisch in der Mitte gebeugt. Sie trug Bürokleidung – natürlich das Kostüm, in dem sie gestern vor dem Treffen zur Arbeit gegangen war –, sah jedoch aus, als hätte sie sich im Dunkeln angezogen. Ihr Gesicht war sehr blass, ihre Haare strähnig. Sie erinnerte an eine alte Frau weit weg von daheim.
Ich flitzte zwischen den Tischen zu ihr, lehnte mich vor und legte ihr sanft die Hand auf die Schulter.
»Schatz, gehen wir.«
Sie hob den Kopf und brauchte eine Sekunde, bis sie mich erkannte.
Aus der Nähe sah sie viel zu dünn aus.
»Hey«, sagte sie und lächelte. Trotz der Wärme in ihrem Ton war ihre Stimme schwach. »Ich bin so froh, dass du da bist.«
»Ich auch.«
»Das hier tut mir leid. Dachte nur, es wäre eine gute Idee, weißt du?«
»Sicher, aber das ist es nicht. Wir müssen hier weg.«
Sie blinzelte mich an und drehte den Kopf wie mechanisch in die andere Richtung. Ich folgte ihrem Blick und sah Nick von der Theke kommen, in jeder Hand einen Becher Kaffee. Er sah mich auch.
»Ich weiß eigentlich nicht, ob ich einen Kaffee trinken kann«, sagte Steph. »Mir ist immer noch übel.«
»Du hast recht, Liebling. Dein Magen ist noch völlig durcheinander. Kaffee ist jetzt keine gute Idee. Komm, lass uns gehen.«
Nick war in null Komma nichts bei uns, ohne jedoch ein einziges Mal aus der Rolle zu fallen. Er wirkte eingeschüchtert, als wüsste er, dass er einen Fehler gemacht hatte, den er jedoch ganz entschlossen wiedergutmachen wollte. Er war zurückhaltend.
Er spielte seine Rolle perfekt.
Er meldete sich schon aus drei Metern Entfernung. »Hey«, sagte er.
Verhalten, auf der Hut. Betroffen.
»Dann lassen Sie mal hören?«, sagte ich. »Sind Sie nur ein Schauspieler oder tatsächlich einer von denen?«
Nick sah mich misstrauisch an. »Was?«
»Ach, sparen Sie sich die Mühe. Ich weiß, was hier läuft. Also, was sind Sie? Einer, der mitspielt, oder Lückenfüller? Emily hat Sie nie erwähnt. Ich vermute demnach, Sie sind einer von denen.«
»Einer von wem?«
Steph schien jetzt vollkommen verwirrt zu sein. »Bill, was redest du da? Wer ist Emily?«
»Steph, im Ernst – wir gehen jetzt. Wir verlassen augenblicklich das Krankenhaus.«
»Das Krankenhaus verlassen?«, fragte Nick. »Das ist nicht Ihr Ernst? Ste… Ihre Frau ist krank, Sir.«
»Das weiß ich. Und Sie wissen so gut wie ich, wie es dazu gekommen ist.«
»Nein, ehrlich gesagt, nicht«, erwiderte Nick mit einer Ruhe, die einen in den Wahnsinn treiben konnte. »Ich hab die Weinflasche, so wie Sie mich gebeten haben, ins Krankenhaus gebracht. Ich … ich glaube wirklich, dass das Krankenhaus im Moment der einzige Ort ist, wo sie richtig aufgehoben ist.«
»Ach ja? Wie ich höre, wollten Sie meine Frau gerade eben erst dazu überreden, mit Ihnen hier wegzugehen.«
»Ähm, nein«, sagte er und sah mich verwirrt an. »Ich hab nur vorgeschlagen, dass wir uns draußen im Wartebereich hinsetzen, damit sie ein bisschen frische Luft bekommt.«
»Blödsinn.«
»Mr. Moore, ich verstehe ja, dass Sie angesichts der Situation ein Problem mit mir haben, und wahrscheinlich sollte ich jetzt, wo Sie da sind, besser gehen, aber ihre Gesundheit hat die oberste Priorität, nicht wahr?«
»Wir gehen jetzt«, sagte ich in dem Versuch, ihn zu ignorieren, und fasste Steph ziemlich behutsam am Arm.
Inzwischen hatten wir das Interesse eines Tischs in der Nähe geweckt, und die beiden Frauen mittleren Alters sowie ein Mann starrten unverhohlen zu uns herüber.
Ich wusste, wie es wirken musste. Eine Frau, die tatsächlich so aussah, als sei das Krankenhaus der einzig sinnvolle Ort für sie. Ein gepflegter junger Mann mit Bügelfalten und blütenreinem Hemd, der ruhig und vernünftig sprach. Ein älterer Typ mit irrem Blick in fleckiger Hose und schmuddeligem Sweatshirt, den eine mächtige Alkoholfahne von der letzten Nacht umgab und der, nachdem er gerade neben einem Swimmingpool voller Blut mit angesehen hatte, wie zwei Menschen erschossen wurden, für seine Umwelt möglicherweise auf einer seltsamen psychischen
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