Killervirus - Gerber, R: Killervirus - Heartstopper
Augen geworden, aber jetzt registrierte er dankbar, dass Larrick das Beifahrerfenster heruntergefahren hatte. Gierig sog er die feuchte Regenluft in seine Lungen. »Es liegt wohl daran, dass ich heute Nacht nicht geschlafen habe.«
»Sie sollten sich einen anderen Lebensstil angewöhnen«, sagte Larrick und klang dabei so, als läge ihm Bens Wohlergehen wirklich am Herzen. »So etwas ist auf die Dauer nicht gesund.«
»Ich weiß. Aber Sie wollten mir gerade von diesem Dr. Low erzählen. Warum hat er so ein grausiges Ende gefunden?«
»Dr. Low war kein gewöhnlicher Wissenschaftler, Ben«, erklärte Larrick. »Er hat in einem der geheimsten Labore des Landes gearbeitet, beim AFIP, dem Armed Forces Institute of Pathology.«
Ben wandte den Blick von der regennassen Straße ab und sah den Commissioner an. »In dem Institut, wo die Army ihre Biowaffen zusammenbraut? Anthrax, Milzbranderreger und anderes Teufelszeug?«
»Die Leute dort tun das, um möglichen Bioterroristen und Schurkenstaaten, die an ähnlichem Teufelszeug arbeiten, einen Schritt voraus zu sein«, erwiderte Larrick mit erhobenen Augenbrauen. »Also im Grunde genommen zu unser aller Sicherheit.«
»So kann man es natürlich auch ausdrücken. Und was hat dieser Dr. Low im AFIP genau gemacht?«
»Er gehörte zum Team von Dr. Jeffrey Taubenberger, mehr brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen.«
Natürlich wusste Ben, wer Dr. Taubenberger war. Der Virologe hatte in den 1990er-Jahren für großes Aufsehen gesorgt, als er sich auf die Suche nach einem der übelsten Killer in der Geschichte der Menschheit gemacht hatte: Nach jenem Virus, das als sogenannte Spanische Grippe im Jahr 1918 wie ein Lauffeuer um die Erde gerast war und über vierzig Millionen Menschen getötet hatte. Bis zu Taubenbergers Forschungen hatte man lediglich vermutet, dass es auf einer Farm im Mittleren Westen von Schweinen auf den Menschen übergesprungen und von amerikanischen Soldaten, die 1917 in den Ersten Weltkrieg zogen, nach Europa eingeschleppt worden war. Dort hatte es unter den von vier Jahren Krieg und Mangelernährung ausgezehrten Völkern mit unglaublicher Brutalität gewütet. Von Europa aus hatte es sich dann weiter über die ganze Welt verbreitet und dabei massenhaft Opfer gefordert.
Taubenberger hatte seine Suche nach dem seit Jahrzehnten erloschenen Virus in den Archiven des medizinischen Dienstes der US-Army begonnen, wo er schließlich auf in Formalin konservierte Gewebeproben eines Rekruten gestoßen war, der in einem Lazarett an der Spanischen Grippe gestorben war. Aus diesen Proben und den Organen
im Permafrost Alaskas bestatteter Grippetoter konnte Taubenberger das Genom des Erregers der Spanischen Grippe weitgehend rekonstruieren, was damals nicht nur unter Wissenschaftlern, sondern auch in der Öffentlichkeit heftige Proteste hervorgerufen hatte.
»Sie wollen auf den Erreger der Spanischen Grippe hinaus, nicht wahr?«, sagte Ben zu Larrick. »Man sagt, Taubenberger hätte ihn vollkommen rekonstruiert. Es ist schon erstaunlich, wofür die Army unsere Steuergelder verwendet.«
»Nur wer ein Virus kennt, kann auch einen Impfstoff dagegen entwickeln, vergessen Sie das nicht. Ein Erreger wie der der Spanischen Grippe kann in den falschen Händen eine fürchterliche Biowaffe sein, die sämtliche Atombomben dieser Welt in den Schatten stellt. Wussten Sie, dass im Ersten Weltkrieg mehr amerikanische Soldaten durch das Virus gestorben sind als durch die Waffen des Feindes? Alles junge Männer in den besten Jahren, übrigens. Ich kann da irgendwie schon verstehen, dass die Army so etwas nicht noch einmal erleben will.«
Ben blickte nach draußen, wo der Verkehr inzwischen wieder in Bewegung gekommen war. Die Autos fuhren mit eingeschalteten Abblendlichtern und hektisch über die Windschutzscheiben rasenden Scheibenwischern an ihnen vorbei. Er spielte kurz mit dem Gedanken, Larrick zu fragen, ob er sich eine Zigarette anzünden dürfe, entschied sich dann aber dagegen. Eine Sucht wie Rauchen war für Angestellte einer Gesundheitsbehörde nicht gerade karrierefördernd.
»Ich verstehe allerdings nicht, was das Virus der Spanischen Grippe mit Pembroke zu tun hat«, sagte er. »Die
Menschen dort sind doch an einer Aortenruptur gestorben.«
Der Commissioner warf Ben einen prüfenden Blick zu.
»Ben, ich muss Sie jetzt etwas fragen«, sagte er mit ernster Stimme. »Kann ich mich darauf verlassen, dass das, was ich Ihnen jetzt sage, unter uns
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