Killervirus - Gerber, R: Killervirus - Heartstopper
… Sitz«, konnte der Taxifahrer mit Mühe hervorkrächzen. »Ich habe … Frau … und Kinder …«
Der Samariter trat noch einmal zu, und der Mann verlor das Bewusstsein.
»Dein Geld interessiert mich nicht«, zischte der Samariter. »Was mich interessiert, ist dein Glaube.«
Er zog ein zerlesenes rotes Buch aus seiner Regenjacke und nahm eine lange Nähnadel heraus, die ihm als Lesezeichen diente. Die Seite war voller bräunlicher Flecken von vielen Jahrzehnten des Lesens. Und von Dutzenden Morden.
»Fünftes Buch Mose, Kapitel elf«, sagte der Samariter, während er mit der Hand über die zerfledderte Seite strich. »Kennst du die Bibel?«
Der Mann lag still da. Der Regen prasselte in schweren Tropfen auf sein zertrümmertes Gesicht und wusch ihm das Blut aus unzähligen Platzwunden.
» Siehe, ich lege euch heute vor den Segen und den Fluch «, las der Samariter mit getragener Stimme und blickte wieder auf den Mann hinab, der sich nicht mehr regte. Er holte mit dem rechten Bein aus und trat ihm mit der Stiefelspitze in die Rippen. »Hörst du mir überhaupt zu?«, fragte er. Er bekam keine Antwort.
»Siehe ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute,
den Tod und das Böse«, fuhr der Samariter fort. » Den Segen so ihr gehorchet den Geboten des HERRN, eures Gottes, die ich euch heute gebiete .«
Er las diese Bibelstelle jedem seiner Opfer vor, in der Hoffnung, darin ein wenig Trost zu finden. Er fand keinen.
Der Fahrer ließ ein Röcheln hören und versuchte, durch die blutige Knorpelmasse seiner zertrümmerten Nase Luft zu holen.
»Sprich ein Gebet, mein Sohn, auf dass der Herr sich deiner armen Seele erbarme«, sagte der Samariter mit leiser Stimme und beugte sich über den schwer atmenden Taxifahrer. Ein Auto hupte in der Ferne, aber die Michigan Avenue war zu dieser Tageszeit ebenso verlassen wie die anderen Straßen rings um die Basilika. Jetzt musste es schnell gehen, dachte der Samariter. Der Mann, auf den er wartete, konnte jeden Augenblick hier sein. Mit einer fast zärtlichen Bewegung legte er dem Taxifahrer seine langen Finger um den Hals, suchte eine bestimmte Stelle und drückte zu.
6
23:48 UHR
WATERGATE HOTEL, WASHINGTON, DC
Auf der dem Potomac zugewandten Seite des Watergate Hotels fing ein Handy an zu klingeln.
Jack Maxwell nahm es vom Couchtisch und schaltete es auf leise. Schließlich war er nicht der Privatsekretär seines Vaters.
Er setzte sich auf, schaltete Fernseher und x-Box aus und klappte seinen Laptop auf. Er startete den Browser, auf dem die Homepage der SchmooCon-Konferenz erschien. Gleich nach der DefCon in Las Vegas war die SchmooCon, die morgen in Washington beginnen sollte, das weltweit zweitgrößte Treffen von Hackern, Codern und Whizz-Kids, die im stillen Kämmerlein versuchten, Sicherheitslücken in den Computersystemen von Behörden und Unternehmen aufzuspüren. Jack klickte sich auf die Seite mit den Terminen und kratzte sich am Kopf. Sein langes, blondes Haar und sein vom stundenlangen Hocken vor dem Computer blasses Gesicht ließen ihn jünger als siebzehn wirken. Jack hasste es, dass er zu klein für sein Alter war und von seinem Vater dessen lausbübisches Gesicht geerbt hatte, ebenso wie er seine hohe Stimme hasste, die manchmal immer noch so quäkte, als wäre er mitten im Stimmbruch. In den Hackerforen im Internet konnte niemand seine Stimme hören, und es interessierte
auch keinen, wie man aussah. Hauptsache, man schrieb guten Code. Und Jack schrieb fantastischen Code.
Das Handy auf dem Fernseher klingelte abermals, hörte jedoch gleich wieder auf. Jack drückte an einem Pickel auf seiner linken Wange herum. Er brauchte nur in ein Flugzeug zu steigen, und schon blühte die Akne in seinem Gesicht auf wie Krokusse an einem warmen Frühlingstag.
»Dieses Applet wird ihnen gefallen«, sagte er laut, während er ein von ihm selbst geschriebenes Miniprogramm startete, das er auf seinem Red Hat Linux-System entwickelt hatte. Schon jetzt galt Jack Maxwell als einer der gewieftesten Hacker des G-OS, des neuen Betriebssystems für die Computer der US-Regierung, und im Forum waren die Leute über seinen neuen Workaround, mit dem man in praktisch jedes abgesicherte Intranet eindringen konnte, ganz aus dem Häuschen gewesen und hatten ihn zu der SchmooCon eingeladen, an der auch alle seine Vorbilder teilnahmen: In der Szene bestens bekannte Hacker, die ihm in den vergangenen Jahren übers Internet immer wieder an entscheidenden Punkten Hilfestellung
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