Killerwelle
auf Stahl dröhnte durch die Plattform wie der Schrei eines rasenden Zuges bei einem verzweifelten Bremsmanöver. Juan spürte, wie sich die gesamte Struktur verschob und wieder stabilisierte. Für einen kurzen Augenblick geriet sein Herz aus dem Takt. Die Schieflage verstärkte sich.
Die Zeit lief ihnen davon.
Eric Stone trieb die Oregon unbarmherzig voran. Anstatt auf den Kommandosessel in der Mitte des Operations-Zentrums umzuziehen, blieb er auf seinem vertrauten Platz am Ruder, wo er ein wesentlich besseres Gespür für die Reaktionen des Schiffes auf den herrschenden Seegang hatte und daher minimalste Korrekturen vornehmen konnte, um das höchste Tempo herauszuholen.
Der Trampfrachter hatte sie noch nie zuvor im Stich gelassen, und auch diesmal versah er gehorsam seinen Dienst, jagte wie ein Hochsee-Powerboot durch die See, durchschnitt die Wogen und ließ eine schäumende Heckwelle hinter sich.
Sie bewältigten die achtzig Knoten bis zur Hercules in Rekordzeit. Aber als sie schließlich dort eintrafen, erkannte er sofort, dass sie zu spät kamen. Das Schwerlastschiff gierte so stark, dass es aussah, als würde es jeden Moment kentern. Der mächtige Ölbohrturm auf seinem Deck lehnte sich weit über das Wasser und warf einen langen Schatten, der die See verdunkelte. Eric wusste, dass nur sein enormes Gewicht den Turm noch immer an Ort und Stelle festhielt.
»Gut gemacht, mein Freund«, dröhnte Max’ Stimme aus den Deckenlautsprechern. Er saß im MD 520N, der zum Schiff unterwegs war, um Männer und Gerät abzuholen, das dort schon bereitstand.
»Was soll ich tun?«, fragte Stone und war insgeheim erleichtert, dass er nicht die Verantwortung für die Rettungsaktion trug.
»Setz die Oregon unter den Bohrturm und schiebe mit aller Kraft«, sagte Hanley, ohne lange zu überlegen.
»Wie bitte?« Eric traute seinen Ohren nicht.
»Du hast ganz richtig gehört. Los, mach schon!«
Stone schaltete das schiffsinterne Interkom ein. »Befehl an die Decksmannschaft – sämtliche Fender an der Backbordreling ausbringen.« Er machte sich weniger Sorgen, dass der Farbanstrich des Schiffes in Mitleidenschaft gezogen wurde, viel eher wollte er eine Beschädigung der Rumpfplatten vermeiden.
Da er befürchtete, dass ein erhöhter Wellengang in der Nähe der Hercules diese zum Kentern bringen könnte, bugsierte Eric die Oregon wie ein aufgeregtes Fohlen neben das große Schiff und füllte gleichzeitig die Ballasttanks, so dass sich die Reling unter die herausragenden Pontons des Bohrturms schob. Die J-61 neigte sich über sie wie eine Burg auf einem absinkenden Fundament.
»Der Hubschrauber ist unten«, verkündete Max, während Stone geringfügige Korrekturen ihrer Position durchführte.
Die beiden Schiffe kamen so sanft wie Federn zusammen, die zur Erde sinken, wobei die dicken pneumatischen Fender den Kontakt noch mehr dämpften. Als die Schiffe auf Tuchfühlung nebeneinanderlagen, steigerte Eric allmählich die Leistung der achtern gelegenen Steuerdüsen und stellte die Direktschubdüsen in einen Winkel von neunzig Grad.
Die Wirkung machte sich sofort bemerkbar. Unter dem Gewicht von einigen zehntausend Litern Wasser in ihren Steuerbordtanks hatte die Hercules fast zwanzig Grad Schlagseite, doch sobald der Schub einsetzte, konnte die Oregon sie um etwa acht Grad in die Senkrechte zurückdrücken. Die wirkenden Kräfte waren enorm, jedoch derart sorgfältig ausbalanciert, dass jeder Fehler Stones dazu führen würde, dass die zwanzigtausend Tonnen schwere Bohrplattform von der Hercules herabrutschen und die Oregon unter sich begraben mochte. Sollten sie es jedoch nicht schaffen, die Einlassventile des Schwerlastschiffs zu schließen und seine Tanks leer zu pumpen, dann hatte die gesamte Aktion lediglich eine aufschiebende Wirkung.
Max’ gefährlicher Trick hatte ihnen zumindest ein wenig Zeit verschafft. Wie viel genau, das konnte jedoch keiner sagen.
Kaum hatte der Helikopter auf dem Deck aufgesetzt, fiel Hanley praktisch aus seinem Sitz, um so schnell wie möglich auszusteigen. Julia Huxley, deren Laborkittel sich unter dem Abwind des Rotors bauschte, wartete bereits mit einem Rollstuhl auf ihren nächsten Patienten. Max war dankbar für den Stuhl, hatte aber gar nicht die Absicht, sich von ihr in die Krankenstation schieben zu lassen. Er blockierte die Räder mit einem Handgriff und verfolgte, wie Mike Trono, Eddie Seng und Franklin Lincoln – die Männer, die die Hercules eigentlich mit Waffengewalt
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