Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Vietnamkrieg aufgewachsen«. Obama bezog sich auf die Spannungen zwischen den Zivilisten und dem Militär zur Zeit des Vietnameinsatzes, aber er hatte eindeutig auch generationsbedingt einen anderen Blick auf die CIA als ältere Männer wie Carter oder Clinton.
Doch der Aufstieg der CIA unter der Regierung Obama hatte nicht nur mit dem Alter des Präsidenten oder mit dem Wesen der Bedrohungen zu tun, über die beim morgendlichen Briefing durch die CIA informiert wurde. Er hing auch damit zusammen, dass sich Obamas erster CIA -Direktor als der einflussreichste Geheimdienst-Chef seit William Casey unter Reagan entpuppte, jedenfalls was seine Fähigkeit anging, die Macht des Geheimdiensts innerhalb der Exekutive zu erweitern.
Leon E. Panetta schien zunächst eine extrem unwahrscheinliche Wahl für den Posten. Er hatte, abgesehen von einem zweijährigen Gastspiel bei der Army in den 1960er-Jahren, keinerlei Berufserfahrung, was das Militär oder die Geheimdienste betraf. In seiner Zeit als demokratischer Kongressabgeordneter für einen Wahlkreis an der kalifornischen Küste hatte er nie in einem der Ausschüsse gesessen, die das Pentagon oder die CIA beaufsichtigen. Er wirkte in der Öffentlichkeit warmherzig und ein bisschen onkelhaft, war aber im Hinterzimmer ein extrem hartnäckiger Verhandlungsführer, der mindestens ebenso oft mit Schimpfwörtern um sich warf, wie er Vorschläge einbrachte. Als Clintons Stabschef hatte er einen eher flüchtigen Kontakt zu den Geheimdiensten gehabt, doch das war eine ganz andere Zeit mit einer ganz anderen CIA gewesen.
Als er CIA -Direktor wurde, hatte er praktisch keine Ahnung davon, dass die CIA auf der ganzen Welt Menschen umbrachte. Anfang 2009 hatte die Presse schon ausführlich über die gezielten Tötungen der CIA durch den Einsatz von Drohnen berichtet. Trotzdem war Panetta – erstaunlicherweise – schockiert, als er bei den ersten Informationsgesprächen über seinen neuen Job bei der CIA erfuhr, dass er faktisch Militärkommandeur in einem geheimen Krieg sein würde. »Er war ein völlig unbeschriebenes Blatt in Bezug auf Geheimdienstangelegenheiten, als er nach Langley kam«, sagt Rizzo, der an der Vorbereitung der Briefings beteiligt war, die Panetta vor seinem Bestätigungsverfahren im Senat bekam. Was jedoch dem neuen CIA -Direktor an konkreter Erfahrung in Fragen von Leben und Tod abging, das machte er mit seinem extremen Durchblick in Washington wett. Er besaß die beiden Eigenschaften, die sich die ewig paranoide CIA bei ihrem Chef sehnlichst wünschte: Einfluss und Ansehen im Weißen Haus und die Bereitschaft, das Revier der CIA gegen deren mutmaßliche Feinde in Washington zu verteidigen.
Beide Eigenschaften kamen gleich nach seiner Amtsübernahme auf den Prüfstand, als Vertreter des Weißen Hauses beschlossen, eine langwierige juristische Auseinandersetzung zu beenden und die Geheimhaltung der internen Memoranden aufzuheben, mit denen die Verhörmethoden der CIA in den ersten Jahren der Regierung Bush autorisiert worden waren. Panetta hatte sich während seines Bestätigungsverfahrens bereits über die Verhörmethoden geäußert und in aller Deutlichkeit erklärt, dass es sich um nichts Geringeres als »Folter« handelte. Seine Stellungnahme hatte Teile des klandestinen Diensts der CIA schockiert und den Verdacht geweckt, dass der neue CIA -Direktor eine Art Wiedergänger Stansfield Turners sein könnte – ein weiterer Außenseiter, den ein liberaler Präsident nach Langley geschickt hatte, damit er den Geheimdienst wieder zur Vernunft brachte, der nach Ansicht des Weißen Hauses außer Kontrolle geraten war.
Unter Panetta jedoch geschah das genaue Gegenteil. Er wurde zu einem Vorkämpfer der CIA , der in Langley von vielen geliebt, aber außerhalb der Agency kritisiert wurde, weil er, wie so viele andere CIA -Chefs vor ihm, vom geheimen operativen Dienst der CIA vereinnahmt worden sei. Schon im ersten Monat nach seinem Amtsantritt gelang es ihm, die Freigabe der Memoranden über die Verhöre zu verzögern und innerhalb des Weißen Hauses eine Debatte darüber zu erzwingen, ob es richtig war, alle Details des eingestellten Gefängnisprogramms auszuplaudern.
Panetta hatte zu diesem Zeitpunkt bereits am eigenen Leib erfahren, welchen Einfluss der Clandestine Service in Langley auf den CIA -Direktor hat. Sowohl Stephen Kappes als auch verschiedene Beamte im Counterterrorism Center hatten ihn gewarnt, dass sich eine Freigabe der Memos katastrophal auf die
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