Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
und das nur, um Terroristen der mittleren Führungsebene auszuschalten. Munter sollte allerdings, schneller als ihm lieb war, erfahren, dass seine Ansichten über das Drohnenprogramm wenig Gewicht hatten. Wenn es um Fragen von Krieg und Frieden in Pakistan ging, zählte in der Regierung Obama vor allem die Meinung der CIA .
Nun, da Raymond Davis im Gefängnis saß, war es, argumentierte Munter, unerlässlich, sich sofort an die Spitze des ISI zu wenden, sprich an Generalleutnant Ahmad Shuja Pasha, und einen Deal auszuhandeln. Die Vereinigten Staaten sollten zugeben, dass Davis für die CIA arbeitete, den Familien der Opfer von Lahore in aller Verschwiegenheit eine angemessene Entschädigung zahlen und Davis ohne großes Aufsehen schnellstmöglich außer Landes geschafft werden. Doch die CIA legte Einspruch ein. Davis hatte eine militante Gruppe mit engen Beziehungen zum ISI ausspioniert, und das wollte die Agency auf keinen Fall zugeben. Hochrangige CIA -Beamte fürchteten, mit einem Gnadengesuch bei der ISI Davis’ Schicksal zu besiegeln. Niemand konnte garantieren, dass er im Gefängnis nicht umgebracht würde, bevor die Regierung in Washington Islamabad unter Hinweis auf den Umstand, dass Davis ein ausländischer Diplomat war und als solcher, selbst wenn es um Mord ging, Immunität gegenüber nationalen Gesetzen genieße, zu seiner Freilassung bewegen könnte. Noch am Tag von Davis’ Festnahme hatte der CIA -Stationschef Munter in seinem Büro aufgesucht und verkündet, dass man beschlossen habe, eine harte Linie gegen die Pakistaner zu fahren. Kein Deal, unter keinen Umständen, warnte er. Und er fügte hinzu: Pakistan ist der Feind.
Diese Strategie bedeutete, dass, von der Spitze bis ganz nach unten, amerikanische Beamte und Regierungsvertreter sowohl öffentlich wie auch im Privaten verschleiern mussten, was genau Raymond Davis in Pakistan getrieben hatte. Am 15. Februar, über zwei Wochen nach den tödlichen Schüssen, äußerte sich Präsident Obama während einer Pressekonferenz erstmals offiziell zu der Affäre. Die Sache verhalte sich, erklärte der Präsident, ganz einfach: Davis, »ein amerikanischer Diplomat in Pakistan«, sei getreu dem Prinzip der diplomatischen Immunität unverzüglich freizulassen. »Wenn unsere Diplomaten in einem anderen Land sind«, betonte Obama, »unterliegen sie nicht der örtlichen Strafverfolgung.«
Davis als »Diplomat« zu bezeichnen, war technisch gesehen zutreffend. Er war mit einem Diplomatenpass nach Pakistan eingereist, und unter normalen Umständen würde ihm das dort Immunität vor strafrechtlicher Verfolgung garantieren. Allerdings waren die Pakistaner nach dem tödlichen Zwischenfall in Lahore nicht gerade in der Stimmung, eine Debatte über die Spitzfindigkeiten des Internationalen Rechts zu führen. Ihrer Ansicht nach handelte es sich bei Davis um einen amerikanischen Spion, der dem ISI nicht gemeldet worden war und zu dem die CIA sich immer noch nicht offiziell bekannt hatte. Kurz vor Obamas Pressekonferenz war ISI -Chef Pasha nach Washington gereist, um sich dort mit Leon Panetta zu treffen und mehr über die Angelegenheit in Erfahrung zu bringen. General Pasha, zu 95 Prozent überzeugt, dass es sich bei Davis um einen CIA -Mitarbeiter handelte, schlug Panetta vor, die beiden Geheimdienste sollten die Sache heimlich, still und leise unter sich ausmachen und beilegen. Dazu wollte er allerdings von Panetta ein klares Bekenntnis zu Davis hören.
Ob Davis für die CIA arbeitete? fragte er den CIA -Direktor rundheraus.
Nein, erwiderte Panetta, Davis gehört nicht zu uns.
Die Sache, fuhr Panetta fort, liege nicht in seinen Händen und werde ausschließlich über die Kanäle des State Department verhandelt. Pasha kochte vor Wut, als er das CIA -Hauptquartier verließ, und er beschloss, Raymond Davis’ Schicksal in den Händen der Richter in Lahore zu belassen. Die Vereinigten Staaten, äußerte er gegenüber Dritten, hätten gerade ihre Chance verspielt, die Affäre rasch zu einem Ende zu bringen.
Dass der CIA -Direktor ein großes geheimes Netzwerk an amerikanischen Spionen innerhalb Pakistans führte und gegenüber dem ISI -Direktor das wahre Ausmaß des von den USA in Pakistan geführten Geheimkriegs verschleierte, war ein weiterer Beweis dafür, wie sehr sich die Beziehungen zwischen den beiden Geheimdiensten verschlechtert hatten, seit sich Asad Munir 2002 in Peschawar mit der CIA zusammengetan hatte, um im Westen Pakistans Jagd auf Osama Bin Laden
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