Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Davis’ Aufgaben in Pakistan waren weit düsterer Natur und hatten unter anderem damit zu tun, einen freiliegenden Nerv in den sowieso schon überempfindlichen Beziehungen zwischen der CIA und dem ISI zu testen.
Seit im November 2008 aus Pakistan kommende Killerkommandos der islamistischen Terrororganisation Lashkar- e-T aiba, der »Armee der Reinen«, in der indischen Hafenstadt Mumbai mehrere Luxushotels überfallen hatten, und in blutigen, vier Tagen andauernden Kämpfen über fünfhundert Menschen getötet oder verwundet worden waren, warnten CIA -Analysten, die Gruppe würde versuchen, mit spektakulären Angriffen außerhalb Südasiens ihr globales Profil zu stärken. Daraufhin setzte die CIA ihren beständig expandierenden Mitarbeiterstab in Pakistan verstärkt auf die Ausspionierung der Aktivitäten der Lashkar- e-T aiba an – eine Maßnahme, mit der sie den Interessen des ISI in die Quere kam. Wenn sich amerikanische Spione in den pakistanischen Stammesgebieten herumtrieben und dort Jagd auf Qaida-Angehörige machten, war das eine Sache; eine ganz andere aber war es, wenn die CIA in pakistanischen Städten eine Organisation ausspionierte, die für den ISI eine wertvolle Stellvertretertruppe darstellte.
Die Lashkar entstand 1990 als Bündnis verschiedener Gruppen, die der pakistanische Geheimdienst im Kampf gegen die sowjetischen Besatzer in Afghanistan protegiert hatte. Fast sofort richtete die Organisation ihr Augenmerk von Afghanistan auf Indien und der damalige pakistanische Präsident Mohammad Zia-ul-Haq ging dazu über, Kämpfer der Lashkar als Gegengewicht zu den dort aktiven Unabhängigkeitsbewegungen nach Kaschmir zu entsenden, die, wie der Präsident fürchtete, in der umstrittenen und von Indien, und Pakistan beanspruchten Bergregion einen separaten Staat anstrebten. Der ISI baute die Gruppe über Jahre hinweg als nützlichen Aktivposten im Kampf gegen Indien auf, und die Tatsache, dass ihre Anführer ganz offen operierten, bewies, was von dem von Musharraf 2002 nach einem tollkühnen Angriff auf das indische Parlamentsgebäude in Neu-Delhi gegen die Lashkar verhängten »Bann« zu halten war: nichts. Zu dem weitläufigen Hauptquartier der Gruppe in Muridke, einem Vorort von Lahore an der berühmten Grand Trank Road, gehörten eine radikale Medresse, ein Markt, ein Krankenhaus und sogar eine Fischfarm. Errichtet worden war die Anlage mit Spenden reicher Geldgeber aus Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten, aber Lashkar betätigte sich auch im Inland mit Erfolg als Spendeneintreiber. Darüber hinaus bot sie eine ganze Reihe von sozialen Diensten für die Armen an, nutzte hierfür aber eine verbündete Organisation, die Jamaat-ud-Dawa (»Partei der Berufenen«) als Fassade.
Der charismatische Anführer der Organisation, Hafis Mohammed Said, hatte jahrelang unter Hausarrest gestanden, doch 2009 ließ der Oberste Gerichthof des Punjab in Lahore alle Terrorvorwürfe gegen den 59-jährigen Islamgelehrten fallen gelassen und setzte ihn auf freien Fuß. Said, ein stämmiger Mann mit einem wilden Bart, predigte in Lahore an vielen Freitagen unter freiem Himmel und hielt, flankiert von Leibwächtern, seinen in Scharen versammelten Anhängern lange Vorträge über den Imperialismus der Vereinigten Staaten, Indiens und Israels. Selbst nachdem Washington eine Belohnung von zehn Millionen US -Dollar für Informationen ausgesetzt hatte, die Said mit den Angriffen von Mumbai in Verbindung brachten, bewegte er sich weiter frei in der Öffentlichkeit und festigte damit seinen Ruf eines pakistanischen Robin Hood.
Zu der Zeit, da Raymond Davis zusammen mit einer Handvoll CIA -Agenten und -Dienstleistern in Lahore ein Safe House bezog, war der Großteil der dortigen CIA -Mitarbeiter mit der Beschaffung von Informationen über die Lashkar- e-T aiba befasst. Da viele der zusätzlichen CIA -Agenten mit Tarnidentitäten einreisten, konnten die pakistanischen Geheimdienstler nur vermuten, was die Amerikaner in ihrem Land so alles trieben.
Um mehr Spione nach Pakistan schleusen zu können, hatte die CIA die schwammigen Regularien zur Gewährung von Einreisevisa für amerikanische Staatsbürger nach Kräften für sich ausgenutzt. Das State Department, die CIA und das Pentagon verfügten zwar über jeweils eigene Kanäle, über die sie Visa für ihre Mitarbeiter beantragten, aber am Ende landeten alle Anträge auf dem Tisch von Hussain Haqqani, dem amerikanophilen pakistanischen Botschafter in Washington. Haqqani, seines
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