Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Zeichens ehemaliger pakistanischer Politiker und Professor an der Boston University, hatte Order aus Islamabad, bei der Visagenehmigung großzügig zu verfahren, da – zumindest offiziell – viele der Antragsteller nach Pakistan kamen, um hier Millionen US -Dollar an Entwicklungshilfe zu verteilen. Zum Zeitpunkt der tödlichen Schüsse in Lahore hielten sich so viele Amerikaner mit echten oder gefälschten Identitäten in Pakistan auf, dass sich selbst die US -Botschaft in Islamabad nicht mehr in der Lage sah, den Überblick über ihre Namen und Aufenthaltsorte zu behalten.
Bei der amerikanischen Botschaft in der pakistanischen Hauptstadt handelt es sich genau genommen um eine Festung innerhalb einer Festung, ein ganzes Gebäudeensemble geschützt von einer mit Stacheldraht und Überwachungskameras gespickten Mauer, das in der sogenannten Diplomatischen Enklave von Islamabad liegt – ein von einem Ring aus Mauern vom Rest der Stadt abgetrenntes, baumbestandenes Areal. Auch wenn es nach Sicherheits-Overkill aussah und nicht sehr diplomatisch wirkte, die US -Botschaft hinter so viel Stahl und Beton zu verschanzen, gab es doch einen guten Grund für die Amerikaner, sich hier so einzuigeln: Die letzte Botschaft war 1979 nach einer Falschmeldung, die USA seien für die Besetzung der Großen Moschee in Mekka verantwortlich, von aufgebrachten Studenten in Brand gesetzt worden. In Wahrheit hatte eine radikalislamische Splittergruppe die Moschee gestürmt und zahlreiche Geiseln unter den vielen hunderttausend Muslimen genommen, die zur Hadsch nach Mekka gepilgert waren. Innerhalb der amerikanischen Botschaft in Islamabad arbeiten Diplomaten und Spione weitgehend getrennt, und die CIA -Station belegt einen Bürotrakt in einem separaten Flügel, der nur durch Türen mit codegesicherten Schlössern zugänglich ist.
Nach Raymond Davis’ Festnahme in Lahore aber entwickelte sich diese Trennung in der Botschaft zu weit mehr als einer rein räumlichen Aufteilung. Nur zwei Tage bevor Davis’ in Lahore zwei Pakistaner erschoss, hatte die CIA schon wieder einen neuen Stationschef nach Islamabad entsandt, auf einen Posten, der zunehmend zu einer Art Drehtür am wichtigsten Außenposten der Agency in Pakistan mutierte. Zuvor war der neue Stationschef in Russland stationiert gewesen, wohin die CIA im Kalten Krieg nur ihre besten und fähigsten Agenten geschickt hatte – und auch seitdem nur Leute, die das Zeug haben, sich mit der Nachfolgeorganisation des KGB , dem SWR , anzulegen. Dickköpfig und von der alten Schule, wie er war, kam der neue Stationschef nicht mit der Absicht nach Pakistan, dem ISI Honig ums Maul zu schmieren. Stattdessen wollte er direkt vor dessen Nase mehr pakistanische Agenten für die CIA anwerben, die elektronische Überwachung von ISI -Büros ausweiten und deutlich weniger Informationen mit pakistanischen Geheimdienstoffizieren teilen – eine aggressive Variante der Geheimdienstarbeit, die in der CIA seit Langem einen eigenen Namen hatte: »Moscow Rules« – die Moskau-Regeln. Eben diese Regeln kamen nun in Pakistan zur Anwendung und sorgten dafür, dass sich der neue Stationschef ganz zu Hause fühlte.
Mit seiner dickköpfigen Haltung geriet er umgehend mit dem amerikanischen Botschafter in Islamabad aneinander, Cameron Munter. Munter, ein belesener Karrierediplomat aus Kalifornien mit einem Doktortitel von der Johns Hopkins University, hatte als Europa-Experte seinen Weg im State Department gemacht. Anschließend hatte er mehrere Positionen im Irak bekleidet, bevor er Ende 2010 an die Spitze der amerikanischen Botschaft in Islamabad berufen worden war. Der Job ist einer der wichtigsten und schwierigsten, den das State Department zu vergeben hat, und auf Munter lastete die zusätzliche Bürde, dass er Anne Patterson nachfolgte, die in den drei Jahren ihrer Amtszeit enge Beziehungen sowohl zur Regierung Bush wie auch zu der seines Nachfolgers Obama gepflegt hatte – und von der CIA für ihre unerschütterliche Unterstützung der Drohnenangriffe in den Stammesgebieten hoch gelobt worden war.
Munter dagegen sah die Dinge anders und war skeptisch, was den langfristigen Nutzen von Antiterroroperationen in Pakistan anging. In einer Zeit, in der sich die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Pakistan rapide verschlechterten, fragte Munter sich, ob die USA mit der hohen Schlagzahl, mit der sie den Drohnenkrieg führten, nicht die Beziehungen zu einem wichtigen Verbündeten aufs Spiel setzten –
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