Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
über hundertfünfzig Mann an und die Operation erreichte einen Umfang, der es nach Meinung Rumsfelds unmöglich machte, sie vor Präsident Musharraf zu verheimlichen. Auch der CIA -Stationschef in Islamabad, den man mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass eine ansehnliche Streitmacht von bis an die Zähne bewaffneten Amerikanern drauf und dran war, ohne Wissen der pakistanischen Regierung eine Operation im Land durchzuführen, äußerte schwere Bedenken. »Stan, das ist eine absolut hirnrissige Idee«, meinte der Stationschef zu McChrystal, der ihn angerufen hatte. »Klar würden wir vielleicht ein paar Qaida-Leute erledigen, aber das wäre die Sache nicht wert. Ebenso gut könnten wir gleich in Pakistan einmarschieren.«
Unterdessen saßen die SEAL s in der C-130 auf dem Flugfeld der Bagram Air Base und warteten darauf, dass Washington grünes Licht für die Mission erteilte. Sie warteten noch mehrere Stunden, dann kam schließlich der Befehl zum Abbruch des Einsatzes.
Rumsfelds Bedenken gegen die Operation gründeten hauptsächlich auf der geheimdienstlichen Informationslage. Sie hatten nur die Aussagen einer einzigen CIA -Quelle, keinerlei sonstige unterstützende Information, und für eine höchst riskante Mission in den schneebedeckten Bergen Westpakistans erschien das dem Verteidigungsminister eine reichlich unsichere Basis. Abgesehen davon, dass er der CIA sowieso nicht allzu viel zutraute, tat sich die Agency Anfang 2005 generell schwer, irgendjemanden – geschweige denn Rumsfeld – von der Zuverlässigkeit ihrer Geheimdienstanalysen zu überzeugen.
Die amerikanischen Geheimdienste hatten immer noch schwer unter dem Irak-Debakel zu leiden, als sie zu dem Urteil gelangt waren, dass die Iraker auf einem ganzen Arsenal an biologischen und chemischen Waffen saßen. Danach wurde CIA -Lagebeurteilungen auf mehrere Jahre hinaus erst einmal generell misstraut. Sosehr Goss der Ausgang der Diskussionen über die Bajaur-Operation auch missfiel, es gab nichts, was er deswegen hätte unternehmen können. Selbst die Einschätzung der CIA , dass al-Sawahiri mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit bei dem Treffen zugegen sein würde, konnte Rumsfeld nicht umstimmen, und er war derjenige, der das Sagen hatte. »Es war«, beschrieb einer von Goss’ Beratern die Situation, »wie wenn dein Dad dir verkündet, dass du den Wagen dieses Wochenende nicht haben kannst.«
Aber über die Frage nach der Qualität der Geheimdienstinformationen hinaus unterstrich die Episode, dass auch mehrere Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 der Krieg gegen die internationalen Terrorgruppen chaotisch und planlos geführt wurde. Weder die CIA noch das Pentagon verfügten über eine klare Strategie, wie die geheimen Kriege der USA außerhalb des Iraks und Afghanistans zu führen seien. Beide Behörden hatten sich in einen Wettbewerb darum verstrickt, dem Weißen Haus zu beweisen, warum es ihr und nicht der anderen die Oberaufsicht über die globale Jagd auf Qaida-Mitglieder übertragen sollte. Und beide neigten dabei immer mehr dazu, sich gegenseitig zu kopieren: Nach dem erfolgreichen Schlag gegen Nek Muhammad in Pakistan verwandelte sich die CIA zusehends in eine paramilitärische Tötungsmaschine, während das Pentagon seine Spionageaktivitäten mit dem Ziel intensivierte, mit seinen Spezialeinheiten auf eigene Faust agieren zu können. Klare Einsatzregeln gab es nicht mehr. Wenn – wie im Fall der Informationen über das Qaida-Treffen in Bajaur – ein unvorhergesehenes Ereignis auftrat, fehlte es an einem fertig ausgearbeiteten Plan, nach dem man hätte handeln können.
Wenn es eine Sache gab, die die CIA dazu brachte, sich in zunehmendem Maß auf Tötungsoperationen zu konzentrieren, dann war das die Vorlage eines vom Generalinspekteur der Agency verfassten und für die Spione verheerenden internen Berichts im Mai 2004. Der 109 Seiten zählende Bericht John Helgersons fegte die Grundlagen des Inhaftierungs- und Verhörprogramms der CIA hinweg und warf die Frage auf, ob CIA -Beamte nicht wegen der in den Geheimgefängnissen der Agency praktizierten brutalen Verhörmethoden strafrechtlich belangt werden konnten. Wie Generalinspekteur Helgerson in dem Bericht ausführte, spräche einiges dafür, dass Verhörmethoden wie Waterboarding, Schlafentzug oder die gezielte Ausnutzung von Phobien der Gefangenen – etwa indem man sie mit Geziefer in einer engen Kiste einsperrte – einen
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