Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
da, ohne ein einziges Wort zu sagen, sodass man fast schon meinte, er sei eingeschlafen. Wurde dann aber ein Thema angeschnitten, das ihm wichtig erschien, fuhr er auf, hielt eine mehrminütige leidenschaftliche Rede und verfiel anschließend wieder in seinen halbschlafähnlichen Zustand. Er war ein besessener Golfspieler und ebenso besessener Raucher, und wohin er ging, zog er unweigerlich eine Wolke aus Zigarettenrauch hinter sich her.
Kayani sprach nur selten über sich selbst, und wenn er es doch einmal tat, konnte man ihn wegen seiner Neigung zum Nuscheln kaum verstehen. Im Gegensatz zu General ul-Haq, seinem stets elegant und stilvoll auftretenden Vorgänger an der Spitze des ISI , legte Kayani keinen sonderlichen Wert auf seine äußere Erscheinung. Wann immer er nach Washington D.C. kam, bestand er darauf, dass der Chauffeur seiner Limousine ihn zu einer Filiale der Discounter-Bekleidungskette Marshalls brachte, wo er sich dann mit Anzügen und Krawatten eindeckte. Vor allem aber konnte er mit großer Geduld darauf warten, bis er bekam, was er wollte. Ein amerikanischer Spitzenagent erinnerte sich an ein langes Treffen mit Kayani, bei dem der General eine halbe Stunde lang mit größter Hingabe eine Zigarette zwischen den Fingern hin- und herrollte, um sie dann, als er sie endlich anzündete, nach nur einem Zug mit ebenso großer Sorgfalt wieder auszudrücken.
General Kayani übernahm das Ruder beim ISI zu einer Zeit, als die pakistanische Führung zusehends der Verdacht beschlich, den Amerikanern sei die Lust an ihrem Krieg in Afghanistan abhanden gekommen. Der Irakkrieg hatte das Augenmerk Washingtons von Afghanistan abgelenkt, und in Islamabad waren Soldaten, Spione und Politiker gleichermaßen überzeugt, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis die zunehmende Gewalt in ihrem westlichen Nachbarland die pakistanische Regierung in Gefahr bringen würde. Nach Auskunft mehrerer damals ranghoher pakistanischer Beamter traf der ISI in dieser Zeit die Entscheidung, sich verstärkt in Sachen afghanischer Taliban zu engagieren und auf diese Weise Afghanistan in eine für Islamabad annehmbare politische Zukunft zu steuern.
Kayani war von der Vergangenheit besessen und verstand nur zu gut, dass die blutige Geschichte Afghanistans der Prolog zu Amerikas Krieg in dem Nachbarland war. Der General, der Afghanistan über Jahrzehnte hinweg studiert hatte, kannte sich bestens aus in den Dynamiken, die es den afghanischen Aufständischen in den 1980er-Jahren ermöglicht hatten, eine Supermacht zu demütigen. 1988 hatte Kayani, der als junger pakistanischer Armeeoffizier in Fort Leavenworth, Kansas, studierte, eine »Stärken und Schwächen der afghanischen Widerstandsbewegung« betitelte Magisterarbeit über den sowjetischen Krieg in Afghanistan vorgelegt. Zu dem Zeitpunkt hatte die Sowjetunion bereits knapp ein Jahrzehnt Krieg in Afghanistan hinter sich und der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow schon damit begonnen, die ersten Truppen vom Hindukusch abzuziehen. Auf 98 Seiten examinierte Kayani darin in einer klaren und stringenten Sprache, wie die afghanische Widerstandsbewegung die ruhmreiche Sowjetarmee schwer zur Ader gelassen und »die Kosten der sowjetischen Präsenz in Afghanistan« massiv in die Höhe getrieben hatte.
Im Prinzip hatte Kayani damals eine Art Lehrbuch dafür verfasst, wie Islamabad in Afghanistan auch während der Besetzung des Nachbarlands durch eine ausländische Armee die Fäden in der Hand halten konnte. Pakistan könnte, schrieb Kayani, Stellvertretermilizen einsetzen, um das Land zu verheeren, aber auch um die dortigen Widerstandsgruppen zu steuern und auf diese Weise einer direkten Konfrontation mit der Besatzungsmacht aus dem Weg zu gehen.
Da Afghanistan ein Land ohne nationale Identität war, kam es, argumentierte Kayani weiter, entscheidend darauf an, die Unterstützung der Stämme zu gewinnen und auf dieser Grundlage die Zentralregierung in Kabul schrittweise zu schwächen. Was Pakistan anging, war Kayani überzeugt, dass Islamabad wenig Lust auf einen »Kollisionskurs« mit der Sowjetunion verspürte oder zumindest keinen Wert darauf legte, sich vom afghanischen Widerstand auf einen solchen Kurs drängen zu lassen. Deshalb sei es, schrieb er, für die Sicherheit Pakistans unerlässlich, die Schlagkraft des afghanischen Widerstands zu »managen«.
Als Kayani 2004 das Ruder beim ISI übernahm, wusste er, dass der Krieg in Afghanistan nicht von Soldaten in
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