Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
hier und da Bedenken wegen des Verhörprogramms der CIA geäußert worden, aber das Wissen um die Geheimgefängnisse war auf einen kleinen Kreis von Spitzenbeamten beschränkt, was mitunter Anlass zu bizarr anmutenden Diskussionen zwischen dem Weißen Haus und der CIA gegeben hatte. Im Juni 2003 etwa bereitete man sich im Weißen Haus darauf vor, den von den Vereinten Nationen ausgerufenen Gedenktag für Folteropfer zu begehen. Die Pressestelle des Weißen Hauses hatte dazu eine offizielle Verlautbarung des Inhalts aufgesetzt, dass sich die Vereinigten Staaten dem Kampf »für die weltweite Eliminierung der Folter« verpflichtet fühlten und ihn »durch ihr gutes Vorbild anführten«.
Tatsächlich aber taugten die Vereinigten Staaten in Sachen Folterverbot keineswegs als leuchtendes Vorbild, und zumindest in der CIA ließ der Entwurf der Verlautbarung bei etlichen hochrangigen Beamten die Alarmglocken schrillen. Scott Muller, der Chefjurist der Agency, erklärte dem Weißen Haus, in Anbetracht der Tatsache, dass die von Präsident Bush für die CIA autorisierten Verhörmethoden weithin als Folter betrachtet wurden, habe er erhebliche Bedenken wegen des Wortlauts der Presseerklärung. In Langley gehe die Sorge um, meinte Muller, man könnte die CIA zum Sündenbock machen, sollte sich die politische Großwetterlage ändern. Die Presseerklärung wurde niemals veröffentlicht.
Auch in Helgersons Bericht finden sich Anzeichen für die Angst, die damals in der CIA umging. Mehrere an dem Haft- und Verhörprogramm beteiligte Beamte, hieß es da, seien besorgt, sie könnten »innerhalb der Vereinigten Staaten oder im Ausland juristisch belangt werden und dass die US -Regierung sich nicht hinter sie stellen würde«. Das Weiße Haus und das Justizministerium hatten dem Programm ihren Segen erteilt, und George Tenet persönlich hatte die CIA gedrängt, die Verantwortung für die Gefangenen zu übernehmen. Dennoch waren sich einige der Altgedienten in Langley sicher, diesen Film schon öfter gesehen zu haben: nämlich während der Ermittlungen des Church-Ausschusses 1975 und später nochmals im Zusammenhang mit der Iran-Contra-Affäre in den 1980er-Jahren. Der Tag der Abrechnung würde kommen, waren sie überzeugt, und das Weiße Haus unter Bush aus dem Bericht des Generalinspekteurs einen Galgen zimmern, um die CIA daran aufzuhängen.
Der Bericht war der Anfang vom Ende für das Inhaftierungs- und Verhörprogramm. Die Geheimgefängnisse sollten zwar noch mehrere Jahre in Betrieb bleiben und hin und wieder auch neue Terrorverdächtige festgenommen und dorthin verschleppt werden, aber mit der Zeit hörte die Agency auf, Waterboarding und einige andere unkonventionelle Verhörmethoden einzusetzen. Gleichzeitig suchte man in Langley nach Wegen, wie man möglichst viele der Gefangenen dem Pentagon aufs Auge drücken konnte. Aber diejenigen, die man nicht loswerden konnte, rotteten weiter in den Gefängnissen vor sich hin, während die Bush-Regierung fieberhaft nach einem Ausweg aus dem Gefängnisprogramm suchte.
Am stärksten betroffen von Helgersons Bericht war das Counterterrorist Center der CIA , die Speerspitze in der weltweiten Jagd der Agency auf Terroristen. Das CTC hatte sich darauf konzentriert, Qaida-Funktionäre aufzuspüren und festzunehmen, sie dann entweder in CIA -Gefängnissen selbst zu verhören oder zur Vernehmung an Geheimdienste in verbündete Länder wie etwa Pakistan, Ägypten oder Jordanien zu überstellen, und anschließend mithilfe der ihnen abgepressten Erkenntnisse weitere Terrorverdächtige zu stellen. Auf diese Weise, so die Überlegung, würde man früher oder später bei Osama Bin Laden landen.
Doch nun hatten sich die Vorzeichen verändert und die Verantwortlichen im Counterterrorist Center sahen sich gezwungen, ihre Strategie für den Geheimkrieg zu überdenken. Bewaffnete Drohnen und generell gezielte Tötungen eröffneten dem Geheimdienst, der sich durch seine Jahre im Inhaftierungs- und Verhörgeschäft ausgebrannt und befleckt sah, ein neues Betätigungsfeld. Leute per Fernbedienung umbringen stellte die Antithese zur dreckigen und sehr direkten Verhörarbeit dar und schien irgendwie sauberer, weniger persönlich. Gezielte Tötungen fanden den Beifall sowohl der Republikaner wie der Demokraten, und mit Drohnen, die von mehrere Tausend Kilometer entfernt an einem Monitor sitzenden Piloten gesteuert wurden, nahm sich die ganze Sache völlig risikofrei aus. Nach der Tötung von Nek Muhammad in
Weitere Kostenlose Bücher