Kim Schneyder
betreten.
»Das Schwert? «
»Ja, das ist unten am Boot … egal, das erklär ich dir ein andermal. Wir wollten sie ein bisschen frisieren, und dazu brauchten wir Werkzeug von der Scene it, du verstehst?«
Klar, verstehe ich. »Ihr wolltet schummeln!«, grinse ich.
»Ja, so kann man es auch nennen.« Er macht ein Gesicht, als hätte er in einen sauren Apfel gebissen. »Aber das machen alle so bei diesen Regatten, das kannst du mir glauben. Unser Fehler war nur, dass wir damit zu spät dran waren.«
Als er fertig ist, lehne ich mich zurück und mustere ihn nachdenklich. Okay, das war jetzt doch ziemlich aufschlussreich. Martin ist also gar kein Spanner, und auch seine nächtlichen Aktivitäten waren eigentlich ganz harmlos. Und unser lieber Bodo ist gar nicht reich, sondern er.
Martin lächelt wieder, während er meinen Blick erwidert. »Was denkst du?«, fragt er dann.
Ich fühle mich ein bisschen ertappt. »Wie bitte? Oh, also … ich denke, du hattest recht. Es gab da anscheinend wirklich ein paar kleine Missverständnisse zwischen uns …«
»Du dachtest wahrscheinlich, ich wäre ein Spanner, oder ein durchgeknallter Stalker, stimmt’s?«, vermutet er lachend.
»Nein, wie käme ich denn darauf«, dementiere ich schnell, während meine Wangen ganz heiß werden. »Aber es gab natürlich schon ein paar Situationen, die mir komisch vorkamen …« Ich trinke schnell einen Schluck und bemühe mich um eine unverfängliche Miene.
»Okay, nachdem das Eis gebrochen wäre …«, setzt Martin von Neuem an. »Heidi, darf ich dich etwas fragen?«
Nanu, wieso wirkt er denn auf einmal wie ein schüchterner Teenager? Nicht dass es ihm schlecht stehen würde.
»Sicher, nur zu«, nicke ich und halte mich dabei unwillkürlich an meinem Glas fest.
Ich ahne, was jetzt kommen wird, und ich habe ehrlich gesagt keinen Schimmer, wie ich darauf reagieren soll. Er wird mich jetzt garantiert fragen, ob er mich näher kennenlernen darf, und dann will er sicher …
Oh mein Gott. Das ist jetzt so ziemlich die allerletzte Wendung in dieser verrückten Geschichte, die ich erwartet hätte. Ich werfe ihm einen schnellen Blick zu. Hm. Er sieht eigentlich nicht übel aus, fit und durchtrainiert, und seine Augen sind ganz einfach eine Wucht. Aber sein Alter … ist auch völlig bedeutungslos, sage ich mir im nächsten Moment, denn das nivelliert sich ja bekanntlich mit der Zeit. Ich meine, nur so über den Daumen geschätzt, wenn ich fünfzig bin, dann ist er auch gerade mal … äh … siebzig?
»Also, Heidi, ich weiß, das kommt jetzt ein bisschen plötzlich …«, legt er los. »… und niemand macht dir einen Vorwurf, falls du ablehnst …« Oh, oh, jetzt kommt’s gleich! »… aber könntest du dir vorstellen, die nächsten Tage mit uns zu verbringen?«, fragt er dann.
Ha, wusst ich’s doch! Er will mich näher kennenlernen – wobei er das jetzt durchaus romantischer hätte formulieren können. Aber egal, denn unter uns: Das tut so gut! Wenn man innerhalb weniger Tage gleich zweimal abserviert worden ist, hat man so ein Angebot nötiger als ein Straßenköter einen Knochen, und ich fühle, wie ich förmlich aufblühe vor Stolz und Freude.
»Ja, also, Martin …« Ich räuspere mich, weil meine Stimme ein bisschen höher als beabsichtigt klingt. »… das kommt wirklich ein bisschen überraschend.« Ich mustere ihn noch einmal blitzschnell. Er ist ein gut aussehender Mann, keine Frage, und jetzt, wo er lächelt, wirkt er ausgesprochen sympathisch, und das Alter macht auch nichts, im Gegenteil, weiß doch jeder, dass ältere Männer die geduldigeren Liebhaber sind, nicht wahr?
»Aber ich könnte mir durchaus vorstellen …«, will ich meine Rede fortsetzen, als er auf einmal ein Foto aus seiner Jackentasche zieht und es auf den Tisch legt. Es zeigt einen jungen Mann mit wirrem, lockigem Haar, braun gebrannt und ausgesprochen attraktiv.
Ich stoppe wie vor den Kopf geschlagen. Nein, nicht das schon wieder! Es ist wie ein verdammtes Déjà-vu! Nora von Kessler erscheint vor meinem geistigen Auge, wie sie mir das Foto ihrer Freundin präsentiert hat – ihrer lesbischen Freundin, wohlgemerkt. Und jetzt auch noch Martin mit seinem sensationell aussehenden, blutjungen Liebhaber!
Gibt es denn keinen ganz normalen Hetero mehr auf dieser Welt? Und dann bleibt natürlich auch noch die Frage, welche Rolle er mir in dieser ruchlosen Ménage à trois zugedacht hat. Aber egal, was er sich da zurechtgezimmert hat, nicht mit mir,
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