Kind der Hölle
fair war, wie Janet zugeben mußte. Als sie Ted Conway kennengelernt hatte, war sie von seinem Charme und seiner lockeren Art so fasziniert gewesen, daß sie sich sofort in ihn verliebt hatte – vielleicht, weil es in ihrer eigenen Familie immer so steif und formell zuging. Und sie hatten lange Zeit eine wirklich glückliche Ehe geführt. Ted begeisterte sich für das Hotelgewerbe, und sie träumten gemeinsam von einer Karriere in Atlanta, Miami oder sogar New Orleans, wo er Generalmanager eines Fünf-Sterne-Hotels sein würde, während sie in angesehenen Kunstgalerien ihre Gemälde ausstellte.
Doch irgendwann hatte Ted Trunksucht fast unbemerkt überhand genommen und alle kühnen Träume zunichte gemacht.
Insgeheim träumte Janet auch jetzt noch von Ausstellungen in bedeutenden Galerien, aber sie erzählte Ted nichts mehr davon. Früher hatte er ihr Talent bewundert, doch mittlerweile jammerte er nur noch, daß sie zuviel Geld für Farben, Pinsel und Leinwände ausgab.
Auch Ted machte sich immer noch Illusionen – freilich nur, wenn er zuviel getrunken hatte. Dann schimpfte er über die Unfähigkeit aller Hotelmanager, die ihn jemals beschäftigt hatten. Anfangs hatte Janet ihm widersprochen, doch in den letzten Jahren mußte sie zugeben, daß er nicht ganz unrecht hatte, denn kein wirklich tüchtiger Manager würde einen Mann wie Ted einstellen, dem ein schlechter Ruf vorauseilte.
Warum blieb sie trotzdem bei diesem Mann?
Das war eine Frage, die Janet sich oft stellte, und sie machte sich nichts vor: sie blieb bei Ted, weil ihr der Mut fehlte, auf eigene Faust – nur mit den Kindern – einen Neubeginn zu wagen. Aber würde ihre Lage sich wirklich verschlimmern, wann sie sich zu dieser dramatischen Maßnahme entschloß? Auch wenn sie mit ihren Gemälden nicht allzuviel verdiente, wäre sie finanziell vermutlich besser gestellt als jetzt, weil sie im Gegensatz zu Ted keinen Cent für Alkohol ausgeben würde. Und für ihn könnte es ein heilsamer Schock sein, wenn sie ihn verließ und die Kinder mitnahm. Vielleicht würde ihn das endlich aufrütteln, vielleicht würde er sich dann endlich eingestehen, daß er ein Alkoholiker war. Janet wußte genau, daß sie an der ganzen Misere mitschuldig war, weil sie nicht viel früher aufbegehrt hatte. Aber wie lange konnte es noch so weitergehen?
Eine sofortige Antwort auf diese Frage blieb ihr erspart, weil Molly quiekend in die Küche gerannt kam. Dem fünfzehn Monate alten Energiebündel schien die drückende Schwüle dieses Abends nicht das geringste auszumachen. Es wurde von Kim verfolgt, die ihre kleine Schwester zu fassen bekam, bevor diese sich an den Beinen der Mutter festklammern konnte.
»Hab’ ich dich endlich!« rief Kim. Sie stemmte Molly hoch in die Luft und hielt sie fast waagrecht. Das Kleinkind strampelte aus Protest, grinste dabei jedoch übers ganze Gesicht.
»Runter! Will runter!« kreischte es vergnügt.
»Willst du das wirklich? Also gut …« Kim ließ sie los, und Molly sauste in freiem Fall auf den Boden, bevor ihre große Schwester sie in letzter Sekunde auffing.
Janet schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, daß du das nicht machen sollst? Mir stockt dabei jedesmal das Herz!«
»Aber sie liebt dieses Spiel«, entgegnete Kim und wirbelte die Kleine im Kreis herum, bevor sie sie auf die Füße stellte.
Tatsächlich versuchte Molly sofort, an Kims Beinen hochzuklettern. »Noch!« verlangte sie energisch. »Noch mal!«
»Nach dem Abendessen«, versprach Kim. »Und wenn du ganz, ganz brav bist, darfst du mir sogar beim Geschirrspülen helfen.« Sie schob Molly sanft beiseite, öffnete einen Küchenschrank und holte Teller heraus. Das einfache Speiseservice war ein Hochzeitsgeschenk von Janets Mutter gewesen. In den ersten Ehejahren wirst du kein edles Geschirr benötigen, Liebling, hatte sie vernünftig argumentiert – und mehr als recht behalten.
»Kommt Dad zum Abendessen?« erkundigte Kim sich scheinbar unbefangen, doch ihre Stimme hörte sich genauso angespannt an wie die ihres Bruders vor wenigen Minuten.
»Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte Janet, immer noch darauf bedacht, den Schein eines heilen Familienlebens zu wahren. »Stell jedenfalls auch für ihn einen Teller hin. Wenn er keine Überstunden machen muß, wird er bestimmt gleich hier sein.«
Kim warf ihrer Mutter einen beredten Blick zu. Du meinst wohl, wenn er halbwegs nüchtern ist, stand in ihren Augen geschrieben, aber ebenso wie
Weitere Kostenlose Bücher