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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kilpatrick
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zwar nicht am Atlantik, aber in seiner Nähe. Wahrscheinlich war sie irgendwo außerhalb der Stadt gefangen gehalten worden, nur wo? Sie erstand eine detaillierte Karte der Gegend und studierte sie eingehend, suchte nach Hinweisen, fand jedoch keine.
    An ihrem zweiten Tag in der Stadt wandte Carol sich an die Polizeidirektion. Nachdem sie erst einmal den richtigen Ansprechpartner gefunden hatte, dauerte es eine Weile, bis sie ihm klar machen konnte, was sie wollte, aber schließlich gelang es ihr, ihm zu erklären, dass sie etwas über einen weit zurückliegenden Fall in Erfahrung bringen musste, über den Mord an einem Mann, der sich vor etwa acht Jahren in Bordeaux ereignet hatte. Bei Nacht.
    Nun, da sie mit der französischen Bürokratie zu tun hatte, verstand sie erst die volle Bedeutung des Wortes »schikanös«. Ihr war klar, dass all dies ohne die hochrangigen Kontaktpersonen, an die sie über Renes Beziehungen gelangt war, wesentlich länger gedauert hätte, wenn nicht gar unmöglich gewesen wäre. Wie die Dinge standen, dauerte es eine Woche, bis sie die Erlaubnis zur Akteneinsicht bekam, weitere drei Tage, um einen Blick auf die Computerprotokolle der Morde und Gewaltverbrechen zu werfen, die während der Zeitspanne, in der sie sich in Frankreich aufgehalten hatte, geschehen waren, und noch einmal vier Tage, um die Prozeduren hinter sich zu bringen, die erforderlich waren, um auch noch an die Berichte, die nicht im Computer gespeichert waren, zu kommen. Doch trotz all der Sucherei blieb das Ergebnis gleich null.
    Falls sie Zeugin eines Mordes gewesen war, war in den Polizeiakten  dieser Stadt kein Bericht darüber enthalten. Entweder war der Mord  an einem anderen Ort verübt worden oder ihre gequälte Psyche hatte  ihn ihr nur vorgegaukelt, oder, vielleicht das Furcht einflößendste  Szenario, jemand hatte die Daten gelöscht. Sie beschloss, mit jedem  Kriminalbeamten zu sprechen, der sich in dem infrage kommenden  Jahr mit einem Mordfall befasst hatte. Zu guter Letzt hatte sie eine  Verabredung mit einem gewissen Inspektor LePage.
    Sie trafen sich in einem Vernehmungszimmer, einer absolut trost losen Umgebung. Lediglich ein Tisch und drei Stühle standen darin,  sonst nichts. In dem Augenblick, als Carol LePage sah, erinnerte sie  sich an ihn. »Wir sind uns schon einmal begegnet.«
    Sein Gesicht und seine Stimme blieben ausdruckslos. »Nicht dass  ich wüsste, Mademoiselle. In meinem Beruf komme ich mit vielen  Menschen zusammen.«
    »Nein, ich bin mir sicher, dass wir uns schon begegnet sind.« Er war  älter geworden, aber im Großen und Ganzen sah er immer noch aus  wie der Mann, dessen Bild sie in ihrem mentalen Fotoalbum gespei chert hatte, an das sie sich nun erinnerte. Selbst seine Eigenarten  kamen ihr bekannt vor.
    Er zündete sich eine Zigarette an und beobachtete sie durch eine  Wolke beißenden Qualms hindurch, den er in ihre Richtung blies.  Dann endlich sagte er genauso unbeteiligt wie zuvor: »Ich habe viel  zu tun. Womit kann ich Ihnen behilflich sein, Mademoiselle?«
    »Inspektor, vor acht Jahren hielt ich mich von April bis Anfang  Januar in Bordeaux auf. Ich glaube, ich wurde Zeugin eines Mordes.  Ein alter Mann wurde getötet.«
    »Haben Sie das Verbrechen damals angezeigt?«
    »Schon möglich. Ich bin mir nicht sicher.«
    »Verstehe.« Er ging aus dem Büro, wobei er die Tür offen ließ.  Kaum eine Minute später kam er mit Papier und Bleistift in der Hand z urück. »Ich nehme Ihre Anzeige auf.«
    »Ich bin nicht hier, um einen Mord anzuzeigen, Inspektor, sondern u m herauszufinden, ob er damals angezeigt wurde.«
    Er legte Papier und Bleistift auf den Tisch.
    Ehe er etwas erwidern konnte, fuhr Carol fort: »Hören Sie, ich weiß, dass es sich merkwürdig anhört, aber ich habe das Gedächtnis verloren und kann mich an fast nichts mehr erinnern, was mit meinem Aufenthalt in Bordeaux zusammenhängt.«
    Die Zigarette zwischen die Lippen geklemmt, verschränkte er die Arme vor der Brust.
    »Ich glaube, ich wurde hier gefangen gehalten, und zwar neun Monate lang.« Sie wollte ihm nicht mehr sagen als unbedingt nötig. Er wirkte ohnehin schon skeptisch genug. »Außerdem glaube ich, dass ich womöglich einen Mord gesehen habe. In den Polizeiakten gibt es nichts, was darauf hindeuten könnte, dass ein alter Mann getötet wurde. Aber genau daran erinnere ich mich.«
    Er kippte seinen Stuhl nach hinten, kniff die Augen gegen den Rauch

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