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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kilpatrick
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zusammen, der sich vor seinem Gesicht kräuselte, und sah sie durchdringend an.
    »Ich musste einfach mit jemandem reden, der damals schon da war und sich vielleicht daran erinnern kann.«
    »Mademoiselle, wenn nichts über den Mord in den Polizeiakten steht, verstehe ich nicht ganz, wie ich Ihnen helfen soll.«
    »Entsinnen Sie sich an einen Mord vor ungefähr acht Jahren? Ein alter Mann, der bei Nacht getötet wurde? Am Wasser. Und sehr viel Blut?«
    »Nein.« Seine Antwort kam zu schnell. Hieß das, dass er sie für verrückt hielt? Oder hatte er etwas zu verbergen? Vielleicht hieß es ja nichts weiter, als dass er sich nicht mehr daran erinnern konnte.
    »An einen Mordversuch möglicherweise?«
    »Mademoiselle Robins, wenn Sie die Akten durchgesehen und nicht gefunden haben, wonach Sie suchen, dann weiß ich wirklich nicht, wie ich Ihnen in dieser Angelegenheit weiterhelfen kann.«
    Das führte zu nichts. Von ihm hatte sie keinerlei Unterstützung zu erwarten. Sie erhob sich. »Inspektor, ich habe keine Ahnung, was Sie wissen oder nicht, aber eines möchte ich Ihnen sagen: Hier in Bordeaux ist mir etwas Schreckliches zugestoßen, etwas so Furchtbares, dass ich mich an fast nichts davon erinnern kann. Seitdem quäle ich mich damit herum, mein Gedächtnis wiederzuerlangen.«
    »Manchmal rührt man besser nicht an Vergangenes.«
    »Und manchmal muss man es ans Licht zerren. Für mich ist es  jedenfalls wichtig. Sollte Ihnen irgendetwas einfallen, was mir helfen  könnte: Ich wohne im Medac Royal.«
    Ihr war, als nähme sie ein Zucken um seine Mundwinkel wahr.
    An diesem Abend rief Carol Rene im Büro an - die Zeitverschiebung betrug fünf Stunden, also war es in Philadelphia erst drei Uhr nachmittags. Sie berichtete ihr alles, was vorgefallen war.
    »Morgen werde ich mir noch einmal einen Wagen mieten, und dann fahre ich am Meer entlang - von Bordeaux aus ist es nicht weit. Diesmal versuche ich es an der nördlichen Küste. Vielleicht fällt mir ja wieder etwas ein.«
    »Carol, wie geht es Ihnen emotional?«
    »Nicht schlecht. Nicht so schlimm, wie ich erwartet hatte. Ich wünschte, ich könnte länger hier bleiben - in drei Tagen geht mein Flug. Hier ist etwas, Rene, ich kann es spüren. Ich weiß, ich bin schon einmal hier gewesen. Und ich erinnere mich an LePage. Ich erinnere mich an so vieles. Es fügt sich nur noch nicht so recht zusammen.«
    Der vertraute Klang der Eiswürfel, die in Renes Becher klirrten, üb te eine beruhigende Wirkung auf sie aus. »Wenn Sie mich brauchen,  rufen Sie an. Egal, wann. Mein Netzanbieter kann mich anpiepsen,  hinterlassen Sie einfach eine Nummer und wann ich Sie erreichen  kann. Und, Carol? Geben Sie auf sich Acht! Was immer Ihnen dort  zugestoßen ist, war so schlimm, dass Sie die Erinnerung daran ver drängt haben. Gehen Sie es langsam an!«

    Am Samstagmorgen mietete Carol einen Peugeot und nahm die Dl Richtung Nordwesten. Weinberge säumten die Straße, an den fein säuberlich aufgereihten Reben hingen saftige Trauben, bereit zur Lese. Innerhalb von zwei Wochen war dies ihr dritter Ausflug entlang der Küste, und jedes Mal hatte sie das unverkennbare Gefühl gehabt, dies schon einmal gesehen zu haben, wieder und wieder, und zwar zu unterschiedlichen Jahreszeiten. Allerdings war ihr klar dass die Szenerie, die sich ihr bot, typisch für ein Weinanbaugebiet und hundert-, wenn nicht tausendfach in Broschüren und Reisemagazinen u nd auf Postkarten abgebildet war. Einzelheiten jedoch bestätigten ihr, dass ihre Erinnerung sie nicht trog.
    Als sie sich dem Ferienort Soulac-sur-Mer näherte, brachte irgend was an dem Namen eine Saite in ihr zum Klingen. Wie eine  Brieftaube auf dem Weg zum heimischen Schlag schlug sie instinktiv  diese Richtung ein.
    Während sie an der Küste entlangfuhr, überlagerte der graublaue Ozean das Bild, das sie sich immer unter Hypnose vorgestellt hatte. Die Häuser waren alt und massiv gebaut, und abermals kamen ihr die Holz- und Steinbauten mit ihren großzügig bemessenen Eingangstüren und Mansardenfenstern bekannt vor. Viele konnte man von der Straße aus sehen, viele jedoch auch nicht, also fuhr sie kleinere Schotterstraßen und private Zufahrtswege entlang. Nirgendwo machte es »klick«, bis sie in eine kurvige Straße einbog, die zu einem großen aus Feldsteinen errichteten Chateau führte.
    Carol trat mit voller Kraft auf die Bremse. Es war, als sei ihr plötzlich ein Gespenst erschienen. Hier war

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