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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kilpatrick
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sie gefangen gehalten worden. Dessen war sie sich hundertprozentig sicher.
    Nachdem sie sich so weit beruhigt hatte, dass sie wieder klar denken konnte, trat sie behutsam aufs Gaspedal und ließ den Wagen im Schritttempo weiterrollen. Vor dem Haus parkten keine Fahrzeuge, aber die Tore der riesigen Garage waren geschlossen. Sie musste vorsichtig sein.
    Carol zitterte am ganzen Körper. Ich sollte jetzt zurückfahren, sagte sie sich. Hierher sollte ich nicht allein kommen. Es könnte gefährlich werden. Ich weiß ja nicht, mit wem ich es zu tun habe. Aber sie war schon zu weit gegangen und hatte zu viel durchgemacht, um jetzt noch den Rückzug anzutreten.
    Sie ließ die Wagenschlüssel bei laufendem Motor stecken und die Tür offen, nur für den Fall, dass sie schnell wieder von hier verschwinden musste. Sie klopfte an die Eingangstür. Niemand kam.
    Sie ging an eins der nach vorn gelegenen Fenster des dreigeschossigen Anwesens und spähte hinein. Ein leeres Zimmer. Als sie ums Erdgeschoss herumging und durch die Fenster, die allesamt ohne Gardine waren, in die leeren Zimmer blickte, in denen keinerlei Möbel standen, erkannte sie den Grundriss des Hauses wieder - die Anlage der Zimmer, Türen und Kamine. Die Garage stand ebenfalls leer. Das Chateau war verlassen.
    Wieder am Haus, versuchte sie, ein Fenster einzuschlagen. Bei den äußeren, getönten Scheiben ging es leicht, aber die Innenverglasung der Doppelfenster war anscheinend bruchsicher. Sowohl die Vorder- als auch die Hintertür waren fest verriegelt. Nachdem sie es eine  Stunde lang versucht hatte, begriff sie, dass sie es so nicht schaffen  würde.
    Carol fuhr zurück nach Bordeaux und schaute bei einem Immobilien makler vorbei. Eine Angestellte sah im Computer nach. Das Haus  war seit etwas über sieben Jahren nicht mehr bewohnt, stand jedoch  nicht zum Verkauf. Es gehörte nicht einem einzelnen Besitzer, sondern  einer Körperschaft, einem Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, und  wurde von einer örtlichen Immobiliengesellschaft verwaltet.
    Carol warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Heute war es bereits  zu spät, um dort noch anzurufen, und es blieb, berücksichtigte man  ihren Abflugtermin, auch keine Zeit, den legalen Weg einzuschlagen.  Also hielt sie an einem Baumarkt und erledigte dort ein paar Einkäufe.
    Früh am nächsten Morgen kehrte sie zurück zu dem Haus in Soulac- sur-Mer. Sie gelangte hinein, indem sie so lange am Fensterrahmen  kratzte, bis der Kitt sich löste. Es war ein Kinderspiel, beinahe so, als  täte sie dies nicht zum ersten Mal. Die Scheibe ließ sich nicht ein drücken, aber nach stundenlangen Mühen gelang es ihr, sie aus dem  Rahmen zu brechen.
    Selbst der Geruch im Innern des Hauses kam ihr vertraut vor. Sie  erkundete das Erdgeschoss. Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie die  Möbel in diesem Zimmer gestanden hatten, und sie erinnerte sich an  eine große Skulptur auf einem Beistelltischchen, ein auf einem Delfin  reitendes Mädchen. Der ganze Raum schien angefüllt mit Erinnerun gen, die alle zugleich auf sie einstürmten. Als Erstes stieg sie in die  dritte Etage hinauf und beschloss, sich von dort in den Keller hinab zuarbeiten; denn der Gedanke, ins Untergeschoss, ins Dunkle, zu  gehen, flößte ihr Angst ein.
    Im dritten Stock gab es nichts, was ihr bekannt vorkam. Vielleicht  war sie ja doch nie hier gewesen! Das verwirrte sie, zumal das Wohn zimmer unten alle möglichen Bilder in ihr aufsteigen ließ. Im zweiten  Stock war es dasselbe. Nichts. Zumindest beinahe! Die gleichen  Türen führten in die gleichen nichts sagenden Räume - anscheinend  hatte sie sie, ebenso wie ein Stockwerk höher, niemals betreten. Das  änderte sich, als sie ins letzte Zimmer kam.
    Als Carol eintrat, war es, als bräche ein Damm, und bislang verdrä ngte Erinnerungen überfielen sie völlig unvorbereitet. Sie sank zu B oden, ihr Atem ging viel zu schnell. Vergessene Eindrücke stürzten au f sie ein; das Feuer im Kamin; das Fenster, aus dem sie so oft  geschaut hatte; das Bett, dort hatte es gestanden, sie hatte darin  geschlafen und wach gelegen und war daran angekettet gewesen. Mit  einem Mal tat ihr alles weh. Sie wand sich in Krämpfen, und ein lautes  Stöhnen entrang sich ihren bebenden Lippen.
    Sie erinnerte sich ganz deutlich an alle: an Chloe, Gerlinde, Karl, Jeanette und Julien mit ihren Kindern. An ihr Kind. Das winzige, verletzliche Baby mit den dunklen Haarbüscheln und der

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