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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kilpatrick
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runzligen Haut, das sie gesäugt hatte. Das an einem Fläschchen voller Blut genuckelt hatte! Und mit einem Mal, als hätte in ihrem Innern jemand eine Tür aufgestoßen, brannte sich ein Gesicht in ihr Bewusstsein. Schwarzes Haar, an den Schläfen bereits grau, die Haut unnatürlich bleich. Reißzähne. Stahlgraue Augen, aus denen ihr die blanke Wut entgegenschlug.
    Carol schrie auf, als mit einem lauten Knall alle bislang verschlossenen Türen zugleich aufflogen, zersplitterten und ihre Seele mit den scharfen Scherben der Erinnerung zerschnitten. Sie spürte, wie sie innerlich zerbarst, und konnte nicht aufhören zu schreien.

21
    »In Ordnung, Carol, gehen wir noch einmal zurück in dieses   Zimmer, in die Zeit, bevor die Polizei Sie in jenem Haus fand  und wieder nach Hause schickte - Gott sei Dank haben die Sie nicht  wegen Einbruchs belangt! Erzählen Sie mir alles, was passiert ist.  Lassen Sie nichts aus!«
    »Rene, das alles sind wir doch schon tausendmal durchgegangen, seit ich wieder zurück bin. Ich weiß noch nicht einmal, wo ich anfangen soll. Mit einem Schlag war alles wieder da!«
    »Es wird eine Weile dauern, alles wieder zurechtzurücken, aber wenn wir nicht dranbleiben, werden wir es niemals ins Lot bringen. Ich werde jetzt meinen Becher wieder füllen, und dann fangen wir an. Ich habe heute eine Stunde länger Zeit, falls Sie die brauchen sollten.«
    Während der nächsten Monate erzählte Carol Rene, wie sie André begegnet und wieder nach Bordeaux zurückgekehrt war, nachdem sie festgestellt hatte, dass sie schwanger war. Sie erzählte ihr, dass sie zweimal vor ihm weggelaufen war, dass er ihr das Kind weggenommen und sie hypnotisiert hatte, um ihr die Erinnerung zu nehmen. Und während der gesamten Zeit, in der Carol die heftigen Emotionen, die mit jeder Stufe ihres Martyriums einhergingen, verarbeitete, hielt nur ein einziger brennender Gedanke sie am Leben. Wieder und wieder  sagte sie zu Rene: »Ich werde meinen Sohn finden und von dieser  Vampirbrut wegholen.«
    »Carol, das haben wir doch schon bis zum Überdruss besprochen. Ich glaube, Sie wollen in ihnen ganz einfach Vampire sehen. Das ist der einfachste Weg für Sie, sich von dem abzugrenzen, was Sie als widerwärtig empfinden. Ihre Vampirgeschichte hat ganz sicher einen wahren Kern, aber wir müssen die Symbolik entschlüsseln. Es handelt sich um eine Metapher. Ihr erster Eindruck war wahrscheinlich richtig. Es ist eine Sekte, die auf Blutopfer steht, wahrscheinlich auch schwarze Magie und dergleichen. Dieser André hat Sie geschwängert und wohl auch unter Drogen gesetzt. Selbst wenn Sie sich an alles erinnern, kennen Sie noch lange nicht das Warum.«
    »Rene, ich irre mich nicht. Und ich weiß, dass es fantastisch klingt. Mag sein, dass Vampir nicht das richtige Wort dafür ist, aber sie sind keine Menschen.«
    »Was sie tun, ist unmenschlich.«
    »Sie sind keine Menschen. Es geht nicht nur darum, dass sie Blut trinken oder was André mir angetan hat. Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, Rene. Es ist, als gehörten sie zu einer anderen Spezies mit viel größeren Kräften, eigenen Regeln und einem Kodex, der nichts mit dem gemein hat, wie menschliche Wesen sich verhalten.«
    »Kann es ein, dass Sie sich von ihnen nicht nur abgestoßen, sondern auch angezogen fühlen?«
    Carols Kiefermuskeln spannten sich. »Auf wessen Seite stehen Sie  eigentlich?«
    »Auf Ihrer natürlich. Aber um ehrlich zu sein, Carol, seit Monaten  höre ich Ihnen nun bereits zu, wie Sie das wieder und wieder be haupten, und so, wie Sie sie beschreiben, klingen sie, nun ja, recht  anziehend.« Die Eiswürfel klirrten, als sie einen Schluck aus ihrer  Keramiktasse nahm.
    Nein, das stimmt nicht. Körperlich anziehend vielleicht, aber es sind Killer!«
    »Wir sind doch alle Killer, oder?«
    »Sie hören sich an wie Gerlinde.«
    »Na gut, betrachten wir alles einmal ganz logisch. Sie benutzen  Hypnose, aber das tue ich auch. Bin ich etwa ein Vampir?«
    »Trinken Sie Blut?«
    »Bloody Marys.«
    Carol wusste nicht, was sie noch sagen sollte. »Nun, sie trinken Blut!«
    »Na gut, wen von ihnen haben Sie Blut trinken sehen? Gerlinde? Karl? Chloe? Oder diejenigen, die von auswärts kamen?«
    »Nein, nur André.«
    »Und wann war das?«
    »In der Nacht, als er den Zimmermann umbrachte. Am Hafen.«
    »Da war es dunkel. Der Polizei zufolge gibt es keinerlei Hinweis darauf. Und Sie haben selbst die Akten eingesehen - es

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