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Kind der Nacht

Kind der Nacht

Titel: Kind der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kilpatrick
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und war gerade bei acht angekommen, und in der nächsten Sekunde war sie schon wieder wach. Nicht allein, dass sie über keinerlei Erinnerung mehr an die zweistündige Operaton verfügte, sondern es war, als würde diese  Zeitspanne einfach nicht existieren. Sie hatte noch nicht einmal  geträumt. Ihr Gehirn wurde einfach heruntergefahren und die Zeit  abgeschaltet. Aber dies hier war schlimmer, weitaus schlimmer! Ihr  fehlten neun Monate ihres Lebens. Rob war tot. Anscheinend hatte  sie ein Kind bekommen und in Frankreich, einem Land, das sie ihres  Wissens niemals besucht hatte, eine hohe Geldsumme erhalten.
    »Miss Robins, ich kann Ihnen nicht helfen. Zunächst einmal zählen Sie nicht zu meinen Patienten. Darum können Sie nicht in dieser Klinik bleiben. Und dann halten Sie sich als Touristin in Großbritannien auf. Dies ist weder die Zeit noch der Ort, sich einer ausgedehnten Therapie zu unterziehen. Ich rate Ihnen dringend, nach Philadelphia zurückzukehren und dort psychiatrische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich kann Ihnen den Namen eines kompetenten Therapeuten geben, der darauf spezialisiert ist, das Gedächtnis wiederherzustellen. Ich glaube nicht, dass wir von hier aus noch irgendetwas erreichen können, und es würde Ihnen mit Sicherheit gut tun, sich in einer vertrauten und zweifellos auch beruhigenden Umgebung aufzuhalten.«
    Carol blieb noch eine weitere Woche, darüber nachzudenken, ehe sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde. In der Woche darauf fand sie sich im Flugzeug, nach Philadelphia wieder.



19
    »Carol, ich möchte, dass Sie sich auf dieses goldene Pendel hier konzentrieren. Schauen Sie, wie es funkelt, wenn das Licht sich darin bricht. Sie sind ganz ruhig, Ihre Augenlider werden schwer. Sie fallen Ihnen zu. Ja, so ist es gut, atmen Sie ganz normal weiter. Stellen Sie sich vor, Sie seien am Meer. Am Atlantik. Wie still er ist. So ewig.«
    Rene Curtis’ beruhigende Stimme verschmolz mit dem friedlichen Bild des Ozeans vor Carols innerem Auge. Seit acht Jahren stellte sie sich dieses Bild nun Woche um Woche während der Therapiesitzungen bei Dr. Curtis vor.
    »Gut. Sie sind entspannt, und nichts kann Ihnen passieren. Sagen Sie mir, von wo aus Sie das Meer sehen. Wo befinden Sie sich jetzt?«
    Carol blickte aus einem Fenster auf die graue Wasserfläche hinaus. »Ich bin in einem Zimmer. In einem Haus.« 
    »In dem Haus in Frankreich?«
    »Ja.«
    »Wo in Frankreich steht dieses Haus?«
    »Ich ... ich weiß nicht.«
    »Beschreiben Sie mir noch einmal das Zimmer.«
    Carol sah sich selbst, sah, wie sie sich umdrehte. Der Raum war in zwei Hälften unterteilt. Sie beschrieb die Farben, die sie sah. Den Kamin. Die Möbel. Das Bett. Mit einem Mal wurde sie nervös.
    »Alles in Ordnung, entspannen Sie sich. Atmen Sie tief durch. Sie sind in Sicherheit. Ich bin hier bei Ihnen. Erzählen Sie mir mehr über das Bett.«
    »Es ist groß. Aus Messing. Die Laken und die Bettdecke haben ein Blumenmuster.«
    »Sie haben in diesem Bett geschlafen?«
    »Ja.«
    »Und auch Sex darin gehabt.«
    Carol wurde wieder nervös. »Ich ... ich habe Sex darin gehabt.«
    All dies war sie schon tausendmal durchgegangen, Bruchstücke von Erinnerungen, die nach Jahren harter Arbeit wieder ans Tageslicht kamen.
    »Mit wem?«
    »Ich ... ich kann mich nicht erinnern.« Sie hatte Angst und wollte nur weg.
    »In Ordnung. Atmen Sie tief durch, durch die Nase ein und durch  den Mund wieder aus. Ich lasse nicht zu, dass irgendjemand Ihnen  wehtut. Sagen Sie mir, was Ihnen zu diesem Bett noch einfällt.«
    Im Geist stand Carol vor dem Bett und starrte es an. »Es ist meins«, sagte sie, aber sie wusste noch immer nicht, warum es ihr so vorkam.
    »Ich möchte, dass Sie hinüber zu dem Bett gehen und mit den Händen über die Laken streichen. Werden Sie das für mich tun?«
    Carol nickte. Sie ging zu dem Bett, und ihre Fingerspitzen berührten zum wohl hundertsten Mal die weiche, fein gewebte Baumwolle.
    »Setzen Sie sich auf das Bett.« Carol setzte sich. Die Matratze gab unter ihrem Gewicht etwas nach. All dies kam ihr sehr vertraut vor.
    »Carol, legen Sie sich auf das Bett.«
    Abermals diese saure Angst, die aus ihrem Magen aufstieg.
    »Sie sind absolut sicher. Wir erinnern uns nur, so wie die anderen Male auch. Legen Sie sich hin.«
    Zögernd legte Carol sich aufs Bett und starrte hinauf an die pastellfarbene Stuckdecke. Die Matratze unter ihr fühlte sich fest an. Sie trug ihr Gewicht,

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