Kind der Nacht
gegenüber mütterlicher gezeigt als ihre eigene Mutter. »Ich weiß, und ich werde mich melden. Und Sie können mich jederzeit über AmEx erreichen.«
»Diese Leute sind gefährlich. Sie sollten die Behörden einschalten.«
»Das habe ich versucht! Aber die sind entweder gekauft oder stehen unter Hypnose. Ich muss es auf meine Art erledigen. Allein.«
»Was werden Sie tun, wenn Sie sie ausfindig machen, sofern Ihnen das gelingen sollte?« Carol schüttelte den Kopf. Sie hatte zwar noch keine Ahnung, was, aber sie würde etwas unternehmen.
Carol brauchte drei Monate, sich auf Bordeaux vorzubreiten. Sie transferierte das Geld, das sie angelegt hatte, auf ein Girokonto, verkaufte das Häuschen, das ihre Mutter ihr hinterlassen hatte, und recherchierte, so viel sie konnte, über Methoden, vermisste Personen aufzuspüren. Sie wandte sich sogar an einen Privatdetektiv. Dieser gab ihr Tipps, worauf sie in Europa beim Durchforsten von Akten achten musste und, vielleicht ebenso wichtig, womit sie gar nicht erst ihre Zeit verschwenden sollte. Als sie endlich aus Philadelphia abflog, war sie seelisch, physisch und emotional in bester Verfassung. Tief im Innern war sie überzeugt davon, dass sie ihren Sohn finden würde, und wenn es das Letzte war, was sie auf dieser Welt tat.
22
Gleich als Erstes fuhr Carol nach Bordeaux. Noch am Tag ihrer Ankunft rief sie Inspektor LePage an. Er lehnte es nicht nur ab, ihr zu helfen, sondern wollte noch nicht einmal mit ihr sprechen.
Auf diesen anfänglichen Fehlschlag folgte ein kleinerer Erfolg. Von der Immobilienfirma, die das Chateau verwaltete, bekam sie die Nummer, unter der das Unternehmen eingetragen war, dem das Haus gehörte: 8320. Der Hauptsitz war in der Schweiz, und ebendahin flog Carol am nächsten Morgen.
In Zürich fand sie alles sauber gepflegt, ordentlich und funktionell, ohne dass alles von Chrom, Glas und Beton beherrscht wurde, wie dies in so vielen nordamerikanischen Städten der Fall war.
Schließlich machte sie das Steuerregister ausfindig - die Besitzer der GmbH Nummer 8320 waren Hans und Lisa Müller, ihre Adresse ein leer stehendes Gebäude. Warum überrascht mich das nicht?, fragte sie sich. Die Schweizer waren höfliche Leute, von denen sie keinerlei Auskunft erhielt. André und die anderen hatten ihre Spuren wirklich gut verwischt.
Carol erstand einen VW-Bus, in dem sie, um Geld zu sparen, schlief und aß. Es war zwar etwas dürftig, mehr brauchte sie jedoch nicht. Sie hatte vor, sich Zeit zu nehmen und - zumindest solange ihr Geld reichte - systematisch zunächst in den größeren Städten und dann in allen Hafenstädten Frankreichs zu suchen. Sollte dies fruchtlos bleiben, wollte sie an der Küste entlang weiter nach Spanien ziehen.
An jedem Ort, in den sie kam, konzentrierte sie sich auf zwei Bereiche - auf den Hafen und den Teil der Stadt, in dem die Spinner und Verrückten anzutreffen waren. Und überall stellte die Sprache das größte Hindernis dar. Ihr Französisch war nicht besonders. Dennoch machte sie weiter und schaffte es, sich verständlich zu machen. Und schließlich klappte es mit der Verständigung so weit, dass auch sie die Leute besser verstand.
Sie fand sehr schnell heraus, dass Diskretion ihr nicht weiterhalf. Die Leute begriffen nicht, worauf sie hinauswollte, weil sie die Umgangssprache nicht beherrschte. Es erwies sich als zeitsparend, einfach zu fragen, ob es in der Stadt Vampire gäbe. Hin und wieder räumte jemand ein, einen gesehen zu haben, und einmal, in Algeciras, bekam sie einen
Hinweis auf Gerlinde. Aber wie alle anderen Hinweise auch endete er in einer Sackgasse, und Carol hatte ständig den Eindruck, wieder genau da angelangt zu sein, wo sie begonnen hatte. Das brachte sie dazu, ein en Detektiv aus London anzuheuern. Sechs Monate und mehrere ta usend Dollar später hatte sie noch immer nichts Nützliches erfahren.
Dieses gesamte Jahr über blieb Carol in Kontakt mit Rene.
»Haben Sie noch nicht den Mut verloren?«
»Ja und nein. Aber ich werde nicht aufgeben.«
»Wie geht es Ihnen? Körperlich, meine ich.«
Carol seufzte. »Ich tue etwas für meine Kondition. Ich habe jetzt ein paar Hanteln im Bus und gehe jeden Tag joggen. Außerdem schlucke ich in rauen Mengen Vitamine und Kräuterextrakte, um mein Immun system aufzubauen.«
»Das ist nicht die Antwort auf meine Frage.«
»Ich war dieses Jahr ein paarmal erkältet.«
»Vielleicht sollten Sie einen Arzt
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