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Kind der Prophezeiung

Kind der Prophezeiung

Titel: Kind der Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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Wolf«, sagte Garion anklagend.
    »Ja, mein Lieber«, meinte sie. »Das bin ich wohl, aber das ist auch nur natürlich. Nun, was möchtest du zum Abendbrot?«
    »Ich habe keinen Hunger«, sagte Garion trotzig.
    »Wirklich nicht? Dann brauchst du vermutlich einen Trank. Ich werde dir einen machen.«
    »Ich habe meine Meinung geändert«, sagte Garion rasch.
    »Das dachte ich mir fast«, erwiderte Tante Pol. Und dann, ohne Erklärung, legte sie plötzlich die Arme und ihn und hielt ihn lange so fest. »Was soll ich bloß mit dir machen?«, sagte sie schließlich.
    »Mir geht es gut, Tante Pol«, versicherte er.
    »Diesmal vielleicht«, sagte sie und nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände. »Es ist eine großartige Sache, tapfer zu sein, mein Garion, aber versuch doch, ab und zu zuerst einmal nachzudenken. Versprich es mir.«
    »Schon gut, Tante Pol«, sagte er, etwas verwirrt. Seltsamerweise benahm sie sich noch immer so, als ob sie ihn wirklich gern hatte.
    Eine Vorstellung dämmerte ihm, daß doch noch ein Band zwischen ihnen bestehen konnte, auch wenn sie nicht miteinander verwandt waren. Es konnte natürlich nie mehr wie früher sein, aber es war wenigstens etwas. Er fühlte sich in dieser Sache langsam wieder etwas besser.
    Am nächsten Tag konnte er wieder aufstehen. Seine Muskeln schmerzten noch etwas, und seine Rippen waren noch empfindlich, aber er war jung, und seine Wunden heilten schnell. Am hellen Vormittag saß er mit Durnik in der großen Halle von Anhegs Palast, als der silberbärtige Graf von Seline auf sie zukam.
    »König Fulrach läßt fragen, ob du wohl so gut bist und zu uns in die Ratsstube kommst, Freund Durnik«, sagte er höflich.
    »Ich, Euer Ehren?« fragte Durnik ungläubig.
    »Seine Majestät ist höchst beeindruckt von deiner Vernunft«, sagte der alte Gentleman. »Er hat das Gefühl, daß du am besten die sendarische Tüchtigkeit repräsentierst. Was uns bevorsteht, betrifft alle Menschen, nicht nur die Könige des Westens, und so ist es nur angemessen, daß gesunder Menschenverstand in unseren Sitzungen vertreten ist.«
    »Ich komme sofort. Euer Ehren«, sagte Durnik und erhob sich rasch, »aber Ihr müßt mir vergeben, wenn ich nur sehr wenig sage.«
    Garion wartete gespannt.
    »Wir haben alle von deinem Abenteuer gehört, mein Junge«, sagt der Graf von Seline freundlich zu Garion. »Ah, noch einmal jung sein«, seufzte er. »Kommst du, Durnik?«
    »Sofort, Euer Ehren«, sagte Durnik, und die beiden verließen die große Halle und gingen in das Besprechungszimmer.
    Garion blieb allein sitzen, tief gekränkt, daß er ausgeschlossen war. Er war in einem Alter, in dem sein Selbstwertgefühl sehr empfindlich war, und innerlich krümmte er sich unter dem Mangel an Beachtung, der sich darin äußerte, daß man ihn nicht auch aufgefordert hatte zu kommen. Gekränkt und beleidigt verließ er den Saal und ging seinen Keiler besuchen, der in einem eisgefüllten Kühlraum dicht bei der Küche hing.
    Man kann jedoch nur eine gewisse Zeit in Gesellschaft eines toten Wildschweins zubringen, ohne deprimiert zuwerfen. Das Wildschwein erschien nun bei weitem nicht mehr so groß wie zu Lebzeiten, als es ihn angriff, und die Hauer waren zwar eindrucksvoll, aber weder so lang noch so scharf, wie Garion sie in Erinnerung hatte. Außerdem war es im Kühlraum kalt, und wunde Muskeln werden in der Kälte schnell steif.
    Es hatte keinen Sinn, einen Besuch bei Barak zu machen. Der rotbärtige Mann hatte sich in sein Zimmer eingeschlossen, um in schwärzester Melancholie vor sich hin zu brüten. Er weigerte sich, die Tür zu öffnen, selbst seiner Frau gegenüber. Und so lief Garion, ganz sich selbst überlassen, eine Weile verdrossen umher, bis er sich schließlich entschloß, den weitläufigen Palast mit seinen staubigen, unbenutzten Kammern und den dunklen, verwinkelten Gängen zu erkunden. Er wanderte stundenlang herum, öffnete Türen und folgte Gängen, die manchmal abrupt vor nackten Mauern endeten.
    Der Palast von Anheg war riesig, da er, wie Barak erklärt hatte, seit über dreitausend Jahren im Bau war. Ein südlicher Flügel war völlig zerfallen, das ganze Dach schon vor Jahrhunderten eingestürzt. Garion wanderte dort eine Zeitlang in den Gängen des zweiten Stockwerks umher, den Kopf voll mit düsteren Gedanken über Sterblichkeit und vergänglichem Ruhm, während er in Räume schaute, wo der Schnee dick auf alten Betten und Stühlen lag und überall die winzigen Spuren von Mäusen und

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