Kind der Prophezeiung
eigentlich keine Krankheit, Cho-Hag«, antwortete Meister Wolf. »Es ist schwer zu erklären. Aber jetzt ist es auch vorbei.«
»Ich möchte, daß du auf dein Zimmer gehst, Garion«, sagte Tante Pol, die ihn noch immer bei den Schultern hielt. »Bist du sicher genug auf den Beinen, daß du allein hingehen kannst?«
»Mir geht es gut«, sagte er, obwohl ihm noch immer seltsam leicht im Kopf war.
»Keine Ausflüge und Entdeckungsreisen mehr«, sagte sie streng.
»Nein.«
»Wenn du dort bist, leg dich hin. Ich möchte, daß du nachdenkst und dich an jedes einzelne Mal erinnerst, wann du diesen Murgo gesehen hast – was er gesagt und getan hat.«
»Er hat nie mit mir gesprochen«, sagte Garion. »Er hat mich immer nur beobachtet.«
»Ich komme in einer Weile nach«, fuhr sie fort, »und ich möchte, daß du mir alles sagst, was du über ihn weißt. Es ist wichtig, Garion, also konzentriere dich, so gut du kannst.«
»In Ordnung, Tante Pol«, sagte er.
Dann küßte sie ihn leicht auf die Stirn. »Lauf jetzt, mein Lieber«, sagte sie.
Den Kopf immer noch so leicht, lief Garion zur Tür und auf den Gang hinaus.
Er kam durch die große Halle, wo Anhegs Krieger Schwerter umgürteten und gräßliche Kampfäxte einsteckten. Sie bereiteten sich auf die Durchsuchung des Palastes vor. Ohne sich aufzuhalten, ging er, immer noch etwas benommen, zwischen ihnen hindurch.
Ein Teil seines Verstandes schien halb zu schlafen, aber jener geheime, innere Teil war hellwach. Die sachliche Stimme stellte fest, daß gerade etwas Bedeutsames geschehen war. Der mächtige Zwang, nicht über Asharak zu sprechen, war offensichtlich nicht mehr vorhanden. Tante Pol hatte ihn irgendwie aus seinem Verstand entfernt. Seine Gefühle diesbezüglich waren seltsam zwiespältig. Die merkwürdige Beziehung zwischen ihm und dem dunkel gekleideten, schweigenden Asharak war immer ausgesprochen privat gewesen, und jetzt war sie nicht mehr da. Er fühlte sich leer und irgendwie verletzt. Er seufzte und stieg die breite Treppe hinauf, die zu seinem Zimmer führte.
Ein halbes Dutzend Krieger stand in dem Flur vor seinem Zimmer. Wahrscheinlich gehörten sie zu Baraks Suchtrupp. Garion blieb stehen. Etwas stimmte nicht, und er schüttelte die Benommenheit ab. Dieser Teil des Palastes war viel zu bevölkert, hier verbarg sich bestimmt kein Spion. Sein Herz begann zu klopfen, und Schritt für Schritt zog er sich an das obere Ende der Treppe zurück, die er gerade heraufgekommen war. Die Krieger sahen aus wie alle anderen cherekischen Krieger im Palast – bärtig, mit Helmen, Kettenhemden und Pelzen. Aber irgend etwas schien nicht zu stimmen.
Ein stämmiger Mann in dunklem Umhang trat durch die Tür von Garions Zimmer in den Gang. Es war Asharak. Der Murgo wollte etwas sagen, aber dann fiel sein Blick auf Garion. »Ah«, sagte er leise. Seine dunklen Augen funkelten in dem vernarbten Gesicht. »Ich habe dich gesucht, Garion«, sagte er genauso leise. »Komm her, Junge.«
Garion spürte ein versuchsweises Zerren an seinem Verstand, das abzugleiten schien, als könnte es keinen Halt finden. Er schüttelte schweigend den Kopf und zog sich weiter zurück.
»Komm schon«, sagte Asharak. »Wir kennen uns zu lange für so etwas. Tu, was ich sage. Du weißt, daß du mußt.«
Das Zerren wurde zu einem kraftvollen Zugriff, der abermals abglitt.
»Komm her, Garion«, befahl Asharak scharf.
Garion ging immer noch Schritt um Schritt rückwärts. »Nein«, sagte er.
Asharaks Augen blitzten, er reckte sich zornig. Diesmal war es kein Zerren oder Zugreifen, sondern ein Schlag. Garion konnte dessen Kraft spüren, obwohl er irgendwie vorbeizugehen oder abgelenkt zu werden schien.
Asharaks Augen weiteten sich leicht und verengten sich dann wieder. »Wer hat das getan?« fragte er. »Polgara? Belgarath? Es wird dir nichts nützen, Garion. Ich hatte dich einmal, und ich kann dich jederzeit wieder nehmen, wenn ich will. Du bist nicht stark genug, um mir zu widerstehen.«
Garion sah seinen Feind an und antwortete trotzig: »Vielleicht nicht«, sagte er, »aber erst mußt du mich kriegen.«
Asharak wandte sich rasch an seine Krieger. »Das ist der Junge, den ich will«, sagte er barsch. »Holt ihn!«
Geschmeidig, fast gedankenlos, hob einer der Krieger seinen Bogen und zielte mit dem Pfeil direkt auf Garion. Asharak schlug den Bogen gerade in dem Moment zur Seite, als der Pfeil mit der Stahlspitze die Sehne verließ. Der Pfeil sang in der Luft und schlug ein paar
Weitere Kostenlose Bücher