Kind der Prophezeiung
nicht, sondern machte eine scharfe Biegung nach rechts. Am anderen Ende schien ein Licht zu sein. Garion ging dankbar darauf zu.
Als es heller wurde, bewegte er sich schneller, und bald hatte er die Lichtquelle erreicht. Es war eine schmale Ritze unten in der Wand. Garion kniete sich auf die staubigen Steine und lugte hindurch.
Der Saal unter ihm war riesig, und ein großes Feuer brannte in der Mitte, dessen Rauch zu den Öffnungen in der gewölbten Decke emporstieg, die sich knapp über Garion befand. Obwohl es von hier oben ganz anders wirkte, erkannte Garion sofort König Anhegs Thronsaal. Während er hinunterblickte, sah er die mächtige Gestalt von König Rhodar und die kleinere von König Cho-Hag, hinter dem der immer gegenwärtige Hettar stand. In einiger Entfernung von den Thronen stand König Fulrach im Gespräch mit Meister Wolf und in deren Nähe Tante Pol. Baraks Gattin sprach mit Königin Islena, und Königin Porenn und Königin Silar standen nicht weit von ihnen. Silk lief nervös auf und ab und warf hin und wieder einen Blick auf die schwer bewachten Türen. Garion verspürte eine Welle der Erleichterung. Er war in Sicherheit.
Er wollte gerade zu ihnen hinunterrufen, als die große Tür aufgerissen wurde, und König Anheg, im Kettenhemd und mit dem Schwert in der Hand, den Saal betrat, dicht gefolgt von Barak und dem rivanischen Wächter, die zwischen sich den flachshaarigen, zappelnden Mann hielten, den Garion am Tag der Wildschweinjagd im Wald gesehen hatte.
»Dieser Verrat wird dich teuer zu stehen kommen, Jarvik«, sagte Anheg böse über die Schulter, während er seinem Thron zustrebte.
»Dann ist es also vorbei?« fragte Tante Pol.
»Bald, Polgara«, antwortete Anheg. »Meine Männer jagen Jarviks Banditen in den abgelegenen Teilen des Palastes. Wenn wir nicht gewarnt worden wären, hätte es allerdings anders verlaufen können.«
Garion, der den Schrei schon auf den Lippen hatte, entschied sich in letzter Sekunde, noch etwas zu warten.
König Anheg steckte sein Schwert in die Scheide und nahm auf seinem Thron Platz. »Jarvik, wir wollen uns ein wenig unterhalten«, sagte er, »bevor wir tun, was getan werden muß.«
Der flachshaarige Mann gab seinen hoffnungslosen Kampf gegen Barak und den fast gleichstarken Brand auf. »Ich habe nichts zu sagen, Anheg«, sagte er trotzig. »Wenn sich das Glück anders gewendet hätte, säße ich jetzt schon auf deinem Thron. Ich habe meine Chance genutzt, und das ist jetzt das Ende.«
»Nicht ganz«, sagte Anheg. »Ich möchte gern die Einzelheiten wissen. Du kannst sie mir schon jetzt erzählen. Reden wirst du sowieso.«
»Mach, was du willst«, schnaubte Jarvik. »Eher beiße ich mir die Zunge ab, als daß ich etwas sage.«
»Das werden wir sehen«, sagte Anheg hart.
»Das wird nicht nötig sein, Anheg«, sagte Tante Pol und ging langsam zu dem Gefangenen hinüber. »Es gibt einfachere Wege, ihn zu überreden.«
»Ich werde nichts sagen«, giftete Jarvik sie an. »Ich bin ein Krieger und habe keine Angst vor dir, du Hexe.«
»Dann bist du ein größerer Narr, als ich dachte«, sagte Meister Wolf. »Möchtest du lieber, daß ich es tue, Pol?«
»Ich mache das schon, Vater«, sagte sie, ohne ihre Augen von Jarvik zu nehmen.
»Vorsicht«, warnte sie der alte Mann. »Manchmal gehst du zu weit. Eine kleine Berührung ist genug.«
»Ich weiß, was ich tue, Alter Wolf«, sagte sie schroff. Sie sah dem Gefangenen direkt in die Augen.
Garion, noch immer unbemerkt, hielt den Atem an.
Der Graf von Jarvik begann zu schwitzen und versuchte verzweifelt, seine Augen von Tante Pols Blick abzuwenden, aber es war hoffnungslos. Ihr Wille befahl ihm und schloß seine Augen. Er zitterte, sein Gesicht wurde blaß. Sie machte keine Bewegung, keine Geste, sondern stand einfach nur da. Ihre Augen brannten sich in sein Hirn.
Einen Moment später schrie er. Dann noch einmal, bevor er zusammenbrach und zwischen den beiden Männern, die ihn hielten, zu Boden sackte.
»Nimm es weg«, wimmerte er, unkontrolliert zitternd. »Ich werde reden, aber bitte, nimm es weg.«
Silk, der jetzt dicht bei Anhegs Thron stand, sah Hettar an. »Ich möchte wissen, was er gesehen hat.«
»Ich glaube, es ist besser, wir wissen es nicht«, antwortete Hettar.
Königin Islena hatte gespannt zugesehen, als hoffte sie, feststellen zu können, wie es gemacht wurde. Sie zuckte sichtlich zusammen und wandte die Augen ab, als Jarvik schrie.
»Also gut, Jarvik«, sagte Anheg seltsam
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