Kind der Prophezeiung
näherrückende Feiertag farblos und schal. Er sehnte sich nach den guten alten Zeiten zurück und seufzte oft bedauernd und schlich in der Küche herum wie eine hellhaarige Gewitterwolke.
Selbst der traditionelle Schmuck im Speisesaal, wo die Erastide-Feiern immer stattfanden, kam ihm in diesem Jahr ganz anders vor. Die Tannenzweige, die um die Deckenbalken gewunden wurden, waren nicht so grün und die sorgfältig an den Zweigen befestigten polierten Äpfel nicht so rot. Er seufzte noch mehr und schwelgte in düsterer Schwermut.
Tante Pol blieb davon unbeeindruckt, und ihre Haltung ihm gegenüber war ohne Mitgefühl. Sie prüfte routinemäßig seine Stirn mit der Hand, ob er Fieber hätte, und gab ihm zum Einschlafen den am übelsten schmeckenden Trank, den sie brauen konnte. Danach achtete Garion darauf, nicht mehr so offensichtlich niedergeschlagen zu sein und weniger vernehmlich zu seufzen. Die sachliche, geheime Stimme in seinen Gedanken erklärte ihm, daß er sich lächerlich aufführte, aber Garion wollte nicht darauf hören. Die Stimme in seinem Kopf war viel älter und weiser als er, aber sie schien entschlossen, ihm allen Spaß am Leben zu nehmen.
Am Erastide-Morgen erschienen ein Murgo und fünf Thulls mit einem Wagen draußen am Tor und wollten Faldor sprechen. Garion, der schon vor langer Zeit festgestellt hatte, daß niemand auf einen Jungen achtete und man viele interessante Dinge lernen konnte, wenn man sich in eine Position brachte, in der man rein zufällig Unterhaltungen mit anhören konnte, beschäftigte sich angelegentlich mit einer kleinen, unwichtigen Arbeit in der Nähe des Tores.
Der Murgo, dessen Gesicht genauso vernarbt war wie das des Murgos in Obergralt, saß wichtigtuerisch auf dem Wagen. Sein Kettenhemd klirrte bei jeder Bewegung. Er trug einen schwarzen Umhang mit Kapuze, und sein Schwert war deutlich zu sehen. Seine Augen waren ständig in Bewegung und nahmen alles in sich auf. Die Thulls, in schlammbespritzten Fellstiefeln und schweren Umhängen, lehnten gleichgültig am Wagen; der rauhe Wind, der über die verschneiten Felder strich, schien ihnen nichts auszumachen.
Faldor, in seiner besten Weste – es war schließlich Erastide –, kam über den Hof, dicht gefolgt von Anhelda und Eilbrig.
»Guten Morgen, Freund«, grüßte Faldor den Murgo. »Fröhliches Erastide.«
Der Murgo grunzte. »Du bist, nehme ich an, der Farmer Faldor?« fragte er mit starkem Akzent.
»Jawohl«, antwortete Faldor.
»Ich höre, du hast eine stattliche Anzahl von Schinken zur Hand – gut geräuchert.«
»Die Schweine gediehen dieses Jahr recht gut«, sagte Faldor bescheiden.
»Ich will sie kaufen«, sagte der Murgo und ließ seine Börse klimpern.
Faldor verbeugte sich. »Morgen früh«, entgegnete er.
Der Murgo starrte ihn an.
»Dies ist ein frommer Haushalt«, erklärte Faldor. »Wir beleidigen die Götter nicht, indem wir die Heiligkeit von Erastide verletzten.«
»Vater«, fuhr Anhelda ihn an, »sei nicht dumm. Dieser edle Kaufmann hat einen langen Weg hinter sich, um mit dir Geschäfte zu machen.«
»Nicht an Erastide«, sagte Faldor, und sein Gesicht nahm einen entschlossenen Ausdruck an.
»In Sendar«, sagte Eilbrig mit seiner hohen, nasalen Stimme, »lassen wir uns unsere Geschäfte nicht durch solche Sentimentalitäten stören.«
»Hier ist nicht Sendar«, sagte Faldor bestimmt. »Hier ist Faldors Farm, und auf Faldors Farm arbeiten und handeln wir nicht an Erastide.«
»Vater«, protestierte Anhelda, »der edle Kaufmann hat Gold, Vater, Gold!« »Ich will nichts mehr davon hören«, verkündete Faldor. Er wandte sich an den Murgo. »Du und deine Diener sind eingeladen, an unserer Feier teilzunehmen. Wir können euch Unterkunft bieten und das beste Abendessen in ganz Sendarien und die Gelegenheit, die Götter an diesem besonderen Tag zu ehren. Niemand wird ärmer dadurch, daß er seinen religiösen Verpflichtungen nachkommt.«
»Wir feiern diesen Tag in Cthol Murgos nicht«, sagte der narbengesichtige Mann kalt. »Wie die edle Dame sagt, bin ich einen langen Weg gekommen, um Geschäfte zu machen, und ich habe keine Zeit zu verlieren. Ich bin sicher, es gibt noch andere Farmer im Bezirk mit der Ware, die ich verlange.«
»Vater!« jammerte Anhelda.
»Ich kenne meine Nachbarn«, sagte Faldor ruhig. »Ich fürchte, du wirst heute nicht viel Glück haben. Die Feier dieses Tages ist eine feste Tradition in dieser Gegend.«
Der Murgo dachte einen Augenblick nach. »Es mag so sein,
Weitere Kostenlose Bücher