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Kind der Prophezeiung

Kind der Prophezeiung

Titel: Kind der Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Eddings
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brauchst dir deswegen keine Sorgen zu machen«, antwortete sie.
    »Ich habe mir keine Sorgen gemacht«, erwiderte er. »Ich habe mich nur gefragt, was es bedeutet. Zubrette und Doroon halten es für ein Geburtsmal. Ist es das?«
    »So etwas Ähnliches«, sagte sie.
    »Hatten Vater oder Mutter auch so ein Mal?«
    »Dein Vater. Das gibt es in deiner Familie schon sehr lange.«
    Plötzlich durchzuckte Garion ein seltsamer Gedanke. Ohne zu wissen warum, streckte er den Arm aus und berührte die weiße Locke an Tante Pols Stirn mit dem Mal. »Ist es so etwas wie die weiße Stelle in deinem Haar?« fragte er.
    Er spürte auf einmal ein Kribbeln in der Hand, und hatte das Gefühl, als öffne sich ein Fenster in seinem Kopf. Zuerst sah er nur unzählige Jahre, die wie eine Schar hoher, dunkler Wolken vorbeirasten und dann, schärfer als eine Messerklinge, das Gefühl eines endlos wiederkehrenden Verlustes – Trauer. Plötzlich, nicht so weit zurückliegend, war da sein eigenes Gesicht, und dahinter waren noch mehr Gesichter, alte, junge, königliche und ganz einfache und hinter allem, nicht länger töricht, das Gesicht von Meister Wolf. Aber mehr als alles andere war da das Wissen um eine unirdische, unmenschliche Macht, die Gewißheit eines unbeugsamen Willens.
    Tante Pol drehte den Kopf fast geistesabwesend weg. »Laß das, Garion«, sagte sie, und das Fenster in seinem Kopf schloß sich.
    »Was war das?« fragte er, brennend vor Neugier. Er wollte das Fenster unbedingt wieder öffnen.
    »Ein einfacher Trick«, sagte sie.
    »Zeig mir, wie.«
    »Noch nicht, mein Garion«, erwiderte sie und nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände. »Noch nicht. Du bist noch nicht bereit. Jetzt geh zu Bett.«
    »Du bleibst bei mir?« fragte er, nun ein wenig verängstigt.
    »Ich bin immer bei dir«, sagte sie und deckte ihn zu. Dann fing sie wieder an, ihr langes, dichtes Haar zu bürsten und summte dabei ein seltsames Lied in ihrer tiefen, melodischen Stimme. Dabei schlief er ein.
    Später sah selbst Garion das Mal in seiner Hand nicht mehr oft. Plötzlich gab es alle möglichen schmutzigen Arbeiten für ihn zu verrichten, die nicht nur seine Hände, sondern auch alles andere an ihm sehr, sehr schmutzig werden ließen.
    Der wichtigste Feiertag in Sendarien – und auch in den anderen Königreichen des Westens – war Erastide. Er erinnerte an den Tag, vor Jahrtausenden, als die sieben Götter sich bei den Händen nahmen, um mit einem einzigen Wort die Welt zu erschaffen. Das Erastide-Fest fand mitten im Winter statt, und da es zu dieser Jahreszeit auf einer Farm wie der Faldors nicht viel zu tun gab, war es mit der Zeit zu einer großartigen, zwei Wochen andauernden Feierlichkeit geworden, mit Festessen, Geschenken und dem geschmückten Speisesaal und kleinen Schauspielen zu Ehren der Götter. Letztere waren natürlich Faldors Frömmigkeit zu verdanken, obwohl Faldor ein einfacher, guter Mann war, gab er sich keinen Illusionen darüber hin, wie weit diese Haltung von den anderen auf der Farm geteilt wurde. Er glaubte jedoch, daß ein äußeres Zeichen frommer Taten zu dieser Jahreszeit gehörte, und da er ein so guter Herr war, taten ihm die Leute auf seiner Farm den Gefallen.
    Unglücklicherweise fiel ebenfalls in diese Zeit des Jahres der übliche alljährliche Besuch von Faldors verheirateter Tochter, Anhelda, und ihres Gatten Eilbrig, um den Kontakt zum Vater zu wahren. Anhelda hatte nicht die Absicht, ihr Erbteil zu gefährden, indem sie den Anschein von Unaufmerksamkeit ihrem Vater gegenüber erweckte. Ihre Besuche waren für Faldor jedoch eine Prüfung, da er den zu eleganten und hochnäsigen Mann seiner Tochter, einen kleinen Angestellten in einem Handelshaus in Sendar, mit kaum verhohlener Verachtung betrachtete.
    Ihre Ankunft kennzeichnete aber den Beginn des Erastide-Fests auf Faldors Farm, und deswegen wurde ihr Erscheinen, obwohl sich niemand aus ihnen persönlich etwas machte, mit einer gewissen Hochstimmung begrüßt.
    Das Wetter war in jenem Jahr besonders schlecht gewesen – selbst für Sendarien. Die Regenfälle hatten früh eingesetzt und waren bald in feuchten Schnee übergegangen – nicht in den trockenen, strahlenden Pulverschnee, der später im Winter kam, sondern in einen nassen Matsch, der immer halb schmolz. Für Garion, dessen Pflichten in der Küche ihn jetzt daran hinderten, sich mit seinen früheren Spielgefährten ihrer traditionellen Vorfreude auf das bevorstehende Fest hinzugeben, schien der

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