Kind der Prophezeiung
das Floß sich entschloß, jetzt und für alle Zeit in seinen ursprünglichen Zustand zurückzukehren. Alle Verbindungen lösten sich, und die einzelnen Balken begannen ihre eigenen Wege zu gehen. Die Gefahr erst im letzten Moment erkennend, versuchte Garion verzweifelt, ans Ufer zu staken, aber seine Hast beschleunigte die Auflösung seines Gefährts nur noch. Zum Schluß fand er sich auf einem einzigen Balken stehend wieder und ließ seine Arme wie Windmühlenflügel kreisen, in dem nutzlosen Bemühen, das Gleichgewicht zu halten. Seine Augen, die verzweifelt nach Hilfe Ausschau hielten, suchten das sumpfige Ufer ab. In einiger Entfernung, an der Uferböschung hinter seinen Spielgefährten, sah er die vertraute Gestalt des Mannes auf dem schwarzen Pferd. Der Mann trug einen dunklen Umhang, und seine brennenden Augen beobachteten die ausweglose Lage des Jungen. Dann rollte der hinterhältige Balken unter Garions Füßen herum; der Junge schwankte und fiel mit einem lautem Klatsch ins Wasser.
Garions Erziehung hatte unglücklicherweise nicht die Unterweisung in der Kunst des Schwimmens eingeschlossen, und obwohl das Wasser eigentlich nicht sehr tief war, war es doch tief genug.
Der Grund des Teiches war recht unerfreulich. Ein dunkler, verkrauteter Morast, der von Fröschen, Schildkröten und einem vereinzelten, bösartig aussehenden Aal bewohnt war, der sich schlangengleich fortwand, als Garion wie ein Stein in die Wasserpflanzen plumpste. Garion schlug um sich, schluckte Wasser und stieß sich mit den Beinen wieder zur Oberfläche empor. Wie ein prustender Wal kam er aus den Tiefen, nahm ein paar hastige, spuckende Atemzüge und hörte die Schreie seiner Spielgefährten. Die dunkle Gestalt auf dem Abhang hatte sich nicht bewegt, und einen Moment lang prägte sich Garion jede Einzelheit dieses strahlenden Nachmittags ein. Er stellte sogar fest, daß weder der Reiter noch sein Pferd einen Schatten warfen, obwohl sie im vollen Licht der Herbstsonne standen. Und während sich seine Gedanken noch mit dieser Unmöglichkeit beschäftigten, sank er wieder auf den schlammigen Grund.
Während er halb ertrinkend mit den Schlingpflanzen kämpfte, überlegte er fieberhaft, daß er sich über Wasser halten könnte, wenn er sich wieder emporschnellte und den Balken zu fassen bekäme. Er wedelte einen verblüfften Frosch beiseite und strampelte wieder nach oben. Unglücklicherweise kam er direkt unter dem Balken hoch. Der Schlag auf den Kopf ließ ihn Sterne sehen; seine Ohren dröhnten, und er sank, nun nicht mehr strampelnd, zurück in die Wasserpflanzen, die nach ihm zu greifen schienen.
Und dann war Durnik da. Garion spürte, wie er an den Haaren unsanft zur Wasseroberfläche gezogen und dann in demselben handlichen Zugriff unter Durniks kraftvollen Stößen zum Ufer geschleppt wurde. Der Schmied zog den halb bewußtlosen Jungen ans Ufer, drehte ihn auf den Bauch und trat ein paarmal auf ihn, um das Wasser aus seinen Lungen zu pumpen.
Garions Rippen knackten. »Es reicht, Durnik«, keuchte er schließlich. Er setzte sich auf, und das Blut aus dem prächtigen Loch in seinem Kopf lief ihm sofort in die Augen. Er wischte sich das Blut ab und sah sich nach dem dunklen, schattenlosen Reiter um, aber die Gestalt war verschwunden. Er versuchte aufzustehen, aber plötzlich drehte sich die Welt um ihn herum, und er wurde ohnmächtig.
Als er aufwachte, lag er in seinem Bett. Sein Kopf war verbunden.
Tante Pol stand neben seinem Bett, ihre Augen funkelten. »Du dummer Junge!« rief sie. »Was hattest du in dem Teich zu suchen?«
»Ich habe geflößt«, sagte Garion in dem Versuch, es ganz beiläufig klingen zu lassen.
»Geflößt?« sagte sie. »Geflößt? Wer hat dir das erlaubt?«
»Nun…« begann er unsicher. »Wir haben einfach…«
»Ihr habt einfach was?«
Er sah sie hilflos an.
Dann nahm sie ihn mit einem leisen Aufschrei in die Arme und drückte ihn an sich, daß ihm fast die Luft wegblieb.
Garion überlegte kurz, ob er ihr von der seltsamen, schattenlosen Gestalt erzählen sollte, die seinen Kampf im Teich beobachtet hatte, aber die nüchterne Stimme in seinen Gedanken, die manchmal zu ihm sprach, sagte ihm, daß es nicht der rechte Zeitpunkt war. Er schien irgendwie zu wissen, die Angelegenheit zwischen ihm und dem Mann auf dem schwarzen Pferd war etwas sehr Privates, und der Zeitpunkt würde unvermeidlich kommen, an dem sie sich in einem Wettstreit des Willens oder Handelns gegenüberstehen würden. Jetzt Tante
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