Kind der Prophezeiung
Schrankraum und hinaus in die kalte Nacht.
»Ich weiß nicht«, meinte Barak. »Wenn die Verfolger so dicht hinter uns her sind, wäre es nicht besser, die Wagen und diese ermüdende Verkleidung loszuwerden, gute Pferde zu kaufen und im Galopp nach Muros zu reiten?«
Wolf schüttelte den Kopf. »Die Murgos können nicht sicher sein, daß wir uns hier aufhalten«, sagte er. »Brill könnte auch wegen einer anderen Schandtat hier sein, und wir wären dumm, wenn wir vor Schatten davonliefen. Es ist besser, ruhig weiterzureiten. Selbst wenn Brill noch immer für die Murgos arbeitet, würde ich lieber davonschleichen und sie hier in Mittelsendarien jeden Stein umdrehen lassen.« Er stand auf. »Ich gehe nach oben und erzähle Pol, was geschehen ist.« Er ging durch die Gaststube und stieg die Treppe hinauf.
»Es gefällt mir noch immer nicht«, murmelte Barak mit finsterem Gesicht.
Dann schwiegen sie und warteten auf Silks Rückkehr. Das Feuer knackte, Garion fuhr zusammen. Wie er so wartete, schien es ihm, daß er sich sehr verändert hatte, seit sie von Faldors Farm aufgebrochen waren. Damals hatte alles so einfach ausgesehen. Die Welt war säuberlich in Freunde und Feinde geteilt gewesen. In der kurzen Zeit, seit sie fort waren, hatte er jedoch begonnen, Verwicklungen zu ahnen, die er sich früher nicht hatte vorstellen können. Er war vorsichtig und mißtrauisch geworden und lauschte jetzt öfter der inneren Stimme, die ihn immer zur Vorsicht gemahnt hatte, wenn nicht direkt zur Arglist. Er bedauerte kurz den Verlust seiner früheren Unschuld, aber die trockene Stimme sagte ihm, daß ein solches Bedauern kindisch sei.
Dann kam Meister Wolf wieder die Treppe herunter und setzte sich zu ihnen.
Nach ungefähr einer halben Stunde kehrte Silk zurück. »Ein außerordentlich wenig vertrauenerweckender Bursche«, sagte er und stellte sich vor das Feuer. »Ich schätze, er ist ein gewöhnlicher Wegelagerer.«
»Brill sucht sich seinesgleichen«, stellte Wolf fest. »Wenn er noch immer für die Murgos arbeitet, heuert er wahrscheinlich ein paar Raufbolde an, die uns beobachten sollen. Sie werden jedoch eher nach vier Leuten zu Fuß Ausschau halten, als nach sechs mit Wagen. Wenn wir am Morgen früh genug aus Winold hinauskommen, können wir ihnen bestimmt entwischen.«
»Ich finde, Durnik und ich sollten heute abend Wache halten«, sagte Barak.
»Keine schlechte Idee«, stimmte Wolf zu. »Wir wollen dann also um die vierte Stunde nach Mitternacht aufbrechen. Ich möchte gerne zwei oder drei Meilen Landstraße zwischen uns und diesen Ort bringen, ehe die Sonne aufgeht.«
Garion schlief in dieser Nacht kaum. Und wenn er wegdöste, hatte er Alpträume von einem verhüllten Mann mit einem grausamen Schwert, der ihn endlos durch dunkle, schmale Gassen jagte. Als Barak ihn weckte, fühlten sich Garions Augen verklebt an, und sein Kopf war schwer von der erschöpfenden Nacht.
Tante Pol zog sorgfältig die Vorhänge in ihrem Zimmer zu, bevor sie eine einzige Kerze anzündete. »Es wird jetzt kälter werden«, sagte sie und öffnete ein großes Bündel, das sie ihn aus dem Wagen hatte heraufholen lassen. Dem entnahm sie eine schwere wollene Hose und Winterstiefel, die mit Wolle gefüttert waren. »Zieh das an«, befahl sie Garion, »und deinen schweren Umhang.«
»Ich bin kein Baby mehr, Tante Pol«, protestierte Garion.
»Bist du gern erkältet?«
»Na ja, nein, aber…« Er hielt inne, unfähig, Worte zu finden, die seinen Zustand beschreiben konnten. Er fing an, sich anzuziehen. Er konnte das leise Murmeln der anderen hören, die sich im angrenzenden Zimmer unterhielten. Sie flüsterten in dem seltsamen, leisen Tonfall, den Männer immer haben, wenn sie vor Sonnenaufgang aufstehen.
»Wir sind fertig, edle Pol«, kam Silks Stimme durch die Tür.
»Dann wollen wir gehen«, antwortete sie und zog die Kapuze ihres Umhangs hoch.
Der Mond war in jener Nacht spät aufgegangen und schien hell auf das frostglitzernde Pflaster vor dem Gasthof. Durnik hatte die Pferde angeschirrt und sie aus dem Stall geführt.
»Wir werden die Pferde bis auf die Straße führen«, sagte Wolf leise. »Ich halte es für unnötig, die Dorfbewohner zu wecken, wenn wir vorbeifahren.«
Silk übernahm wieder die Führung, und so marschierten sie im Zug aus dem Hof des Gasthofes.
Die Felder um das Dorf herum waren weiß vor Frost, und das blasse, dunstige Mondlicht schien ihnen alle Farbe entzogen zu haben.
»Sobald wir außer Hörweite sind«,
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