Kind der Prophezeiung
nicht Baraks Schuld«, sagte Garion. »Es war meine eigene Idee.« Es hatte schließlich keinen Sinn, daß sie beide etwas abkriegten.
»Ich verstehe«, sagte sie. »Und was steckte dahinter?«
Die Verwirrung und die Zweifel, die ihn plagten, machten ihn tollkühn. »Ich wollte es eben«, sagte er trotzig. Zum erstenmal in seinem Leben verspürte er offene Auflehnung.
»Was?«
»Ich wollte es eben«, wiederholte er. »Was macht es für einen Unterschied, warum ich es getan habe? Du bestrafst mich doch sowieso.«
Tante Pol richtete sich auf, ihre Augen funkelten.
Meister Wolf, der in der Nähe saß, kicherte.
»Was ist daran so lustig?« fuhr sie ihn an.
»Warum läßt du mich das nicht regeln, Pol?« schlug der alte Mann vor.
»Ich kann damit allein fertig werden«, sagte sie. »Aber nicht gut«, sagte er. »Überhaupt nicht gut. Du bist zu heftig, und deine Zunge ist zu scharf. Er ist kein Kind mehr. Er ist noch kein Mann, aber auch kein Kind mehr. Das Problem muß auf eine besondere Art gelöst werden. Ich werde mich darum kümmern.« Er stand auf. »Ich glaube, ich muß darauf bestehen, Pol.«
»Du mußt was?«
»Ich bestehe darauf.« Seine Augen wurden hart.
»Also gut«, sagte sie frostig, drehte sich um und ging fort.
»Setz dich, Garion«, sagte der alte Mann.
»Warum ist sie so gemein?« platzte Garion heraus.
»Ist sie nicht«, sagte Meister Wolf. »Sie ist wütend, weil du ihr Angst eingejagt hast. Niemand mag das, wenn man ihn ängstigt.«
»Es tut mir leid«, sagte Garion beschämt.
»Entschuldige dich nicht bei mir«, sagte Meister Wolf. »Ich hatte keine Angst.« Er sah Garion einen Augenblick lang durchdringend an. »Wo liegt das Problem?« fragte er.
»Sie nennen dich Belgarath«, sagte Garion, als ob das alles erklärte, »und sie nennen sie Polgara.«
»Und?«
»Es ist einfach nicht möglich.«
»Hatten wir diese Unterhaltung nicht schon einmal? Vor langer Zeit?«
»Bist du Belgarath?« fragte Garion unverblümt.
»Manche Leute nennen mich so. Was macht das für einen Unterschied?«
»Es tut mir leid«, sagte Garion. »Ich glaube es einfach nicht.«
»Schön.« Wolf zuckte die Achseln. »Du mußt nicht, wenn du nicht willst. Was hat das damit zu tun, daß du unhöflich zu deiner Tante bist?«
»Es ist nur…« Garion zögerte. »Nun…«, verzweifelt wollte er Meister Wolf die fatale, letzte Frage stellen, aber trotz seiner Gewißheit, daß zwischen ihm und Tante Pol keine Verwandtschaft bestand, konnte er die endgültige und unwiderrufliche Bestätigung nicht ertragen.
»Du bist durcheinander«, sagte Meister Wolf. »Ist es das? Nichts ist so, wie es sein sollte, und du bist wütend auf deine Tante, weil es so aussieht, als wäre alles ihre Schuld.«
»Wenn du es so sagst, klingt es schrecklich kindisch«, sagte Garion errötend.
»Ist es das nicht?«
Garion errötete noch tiefer.
»Es ist dein eigenes Problem, Garion«, sagte Meister Wolf. »Glaubst du vielleicht, es ist richtig, andere deswegen unglücklich zu machen?«
»Nein«, gab Garion kaum hörbar zu.
»Deine Tante und ich sind, wer wir sind«, sagte Meister Wolf ruhig. »Die Leute haben eine Menge Unsinn über uns erfunden, aber das spielt keine Rolle. Es gibt Dinge, die getan werden müssen, und wir sind diejenigen, die sie tun. Das ist es, was zählt. Mach die Dinge für deine Tante nicht noch schwieriger, nur weil die Welt nicht ganz nach deinem Geschmack ist. Das ist nicht nur kindisch, es ist auch unhöflich, und das paßt nicht zu dir. Ich glaube, du solltest dich bei ihr entschuldigen, findest du nicht?«
»Ich denke schon«, sagte Garion.
»Ich bin froh, daß wir Gelegenheit hatten, uns zu unterhalten«, sagte der alte Mann. »Aber ich würde nicht zu lange warten, um mit ihr ins reine zu kommen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie lange sie wütend bleiben kann.« Er grinste fröhlich. »Sie ist wütend auf mich, solange ich zurückdenken kann, und das ist so lange, daß ich nicht mal daran denken mag.«
»Ich werde es sofort tun«, verkündete Garion.
»Gut«, sagte Wolf anerkennend.
Garion stand auf und ging entschlossen zu Tante Pol hinüber, die auf die Wirbel der Cherek-Enge hinausstarrte.
»Tante Pol«, begann er.
»Ja, mein Lieber?«
»Es tut mir leid. Es war nicht richtig von mir.«
Sie drehte sich um und sah ihn ernst an. »Nein, das war es nicht.«
»Ich will es nicht wieder tun.«
Darauf lachte sie ein leises warmes Lachen und fuhr mit den Fingern durch sein zerzaustes Haar.
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