Kind der Prophezeiung
König. »Für so etwas wird keine Zeit sein.«
»Ich kenne Anheg zu gut«, schniefte die Königin. Sie wandte sich an Meister Wolf, stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte seine bärtige Wange. »Lieber Belgarath«, sagte sie, »wenn das hier vorbei ist, versprich mir, daß Pol und du auf einen langen Besuch wiederkommt.«
»Das verspreche ich dir, Layla«, sagte Meister Wolf ernst.
»Die Gezeiten wechseln, Herr König«, sagte Greldik, »und mein Schiff wird unruhig.«
»Oje«, sagte die Königin. Sie legte dem König die Arme um den Hals und verbarg ihr Gesicht an seiner Schulter.
»Aber, aber«, meinte Fulrach verlegen.
»Wenn du jetzt nicht gehst, fange ich hier in der Öffentlichkeit an zu weinen«, sagte sie und schob ihn weg.
Die Steine des Landungsstegs waren schlüpfrig, und das schlanke cherekische Schiff rollte und schlingerte in der Dünung. Die schmale Planke, über die sie gehen mußten, schwankte gefährlich, aber sie schafften es alle, ohne Zwischenfall an Bord zu gelangen. Die Seeleute kappten die Taue und nahmen dann ihre Plätze an den Rudern ein. Das schlanke Schiff schoß vom Steg weg und manövrierte geschickt in den Hafen hinaus, vorbei an den kräftigen, gedrungenen Handelsschiffen, die dort vor Anker lagen. Königin Layla stand einsam auf dem Steg, umringt von großen Soldaten. Sie winkte ein paarmal und sah ihnen nach, das Kinn tapfer in die Höhe gereckt.
Kapitän Greldik nahm seinen Platz an der Ruderpinne neben Barak ein und gab dann einem muskulösen Krieger, der in der Nähe hockte, ein Signal. Der Mann nickte und zog einen Fetzen Segeltuch von einer fellbespannten Trommel. Er begann sie langsam zu schlagen; sofort nahmen die Ruderer den Rhythmus auf, und das Schiff schoß vorwärts auf die offene See zu.
Als sie aus dem Schutz des Hafens hinaus waren, wurde der Seegang so stark, daß das Schiff nicht mehr nur schaukelte, sondern auf der Rückseite jeder Welle hinunter- und die Vorderseite der nächsten wieder hinauflief. Die langen Ruder, die im Rhythmus der dumpfen Trommel ins Wasser eintauchten, hinterließen kleine Wirbel auf der Oberfläche der Wellen. Das Meer lag bleigrau unter dem winterlichen Himmel, und die flache, schneebedeckte Küstenlinie von Sendarien glitt, zerklüftet und verlassen, zu ihrer Rechten vorbei.
Garion verbrachte den größten Teil des Tages damit, an einem geschützten Platz in der Nähe des hohen Bugs zu zittern und schwermütig aufs Meer hinaus zu starren. Die Scherben und Splitter, in die sein Leben am vorigen Abend zerbrochen war, lagen vor ihm ausgebreitet. Die Vorstellung, Wolf sei Belgarath und Tante Pol Polgara, war natürlich absurd. Er war trotzdem davon überzeugt, daß zumindest ein Teil der ganzen Geschichte der Wahrheit entsprach: Vielleicht war sie nicht Polgara, aber sie war mit ziemlicher Sicherheit nicht seine Tante. Er vermied weitgehend, sie anzusehen, und sprach mit niemandem.
In dieser Nacht schliefen sie in engen Quartieren unter Deck. Meister Wolf saß noch lange mit König Fulrach und dem Grafen von Seline im Gespräch. Garion beobachtete heimlich den alten Mann, dessen silberweißes Haar und Bart in dem Licht einer schwingenden Öllampe, die von einem der niedrigen Deckenbalken hing, zu glühen schien. Er sah noch genauso aus wie immer, und schließlich drehte Garion sich um und schlief ein.
Am nächsten Tag umrundeten sie die Spitze von Sendarien und schlugen bei gutem Rückenwind nordöstlichen Kurs ein. Die Segel wurden gesetzt, und die Ruderer konnten sich ausruhen. Garion kämpfte noch immer mit seinem Problem.
Am dritten Tag auf See wurde es stürmisch und bitterkalt. Die Takelage knisterte vor Eis, und Graupelregen setzte ein.
»Wenn es so bleibt, gibt es eine rauhe Durchfahrt durch die Meerenge«, sagte Barak und sah stirnrunzelnd in den Eisregen hinaus.
»Durch die was?« fragte Durnik ängstlich. Durnik fühlte sich auf dem Schiff alles andere als wohl. Er erholte sich gerade von einem Anfall von Seekrankheit und war offensichtlich etwas gereizt.
»Die Enge von Cherek«, erklärte Barak. »Eine Passage von etwa einer Meile zwischen der Nordspitze Sendariens und dem Südzipfel der cherekischen Halbinsel – Strudel, Mahlströme und so. Hab keine Angst, Durnik. Dies ist ein gutes Schiff, und Greldik kennt das Geheimnis, wie man die Enge durchschifft. Es wird vielleicht etwas ungemütlich, aber wir werden völlig sicher sein – es sei denn, wir hätten kein Glück.«
»Ein aufmunterndes Thema«,
Weitere Kostenlose Bücher