Kind der Sünde (German Edition)
sie ihnen auszuliefern?
Amber grauste, und sie blickte sich um. Rings umher nur plattes Land, keine Deckung, keine Möglichkeit, sich zu verstecken. Eine Flucht erschien aussichtslos.
Die Stimmen wurden lauter, und der Ton wurde schärfer, besonders der ihrer Verfolger. Dann fielen Schüsse.
Amber zuckte bei jedem Knall zusammen, als wäre sie und nicht Kai von den Kugeln getroffen worden. Sie sah, wie die Geschosse in seinen Körper einschlugen. Ohne es zu wollen, schrie sie auf. Jeden Treffer spürte sie wie einen Pfeil, der ihr Herz durchbohrte. Sie wollte nicht, dass er starb. Nicht weil sie dann um sie eigene Sicherheit fürchten musste. Gerade erst hatten sie sich wiedergefunden, und sie wollte ihn nicht gleich wieder verlieren.
Tatsächlich hielt Kai den Schüssen stand. Er strauchelte nicht einmal. Er entblößte sein strahlend weißes Gebiss zu einem teuflisch lauernden Lächeln, und im nächsten Augenblick, schneller als das menschliche Auge es wahrnehmen konnte, war er schon bei dem Ersten und riss ihm das Herz aus der Brust. Und während die anderen starr vor Schrecken zuschauten, geschah ihnen, einem nach dem anderen, dasselbe.
Schließlich war es getan. Kai stand schwer atmend zwischen den Leichen der Verfolger. Seine Hände waren bis zu den Ellenbogen hinauf blutbesudelt. Auch das Gesicht hatte Spritzer abbekommen.
Er kam zu ihr und blieb dicht vor ihr stehen. Sein Blick fiel auf das leuchtende Band, mit dem sie die Schwarze Seele festhielt, dann auf ihre Hand. Eine ganze Weile standen sie einander so gegenüber. Plötzlich stand er dicht vor ihr, zog sie trotz seiner von Blut triefenden Hände an sich und küsste sie. Sie spürte seinen muskulösen Körper, als er ihr mit der Zunge die Lippen öffnete und in ihren Mund eindrang.
Sie begriff selbst nicht, wie sie es zulassen konnte. Und sie ließ es nicht nur zu. Sie klammerte sich an seine breiten Schultern und erwiderte seinen Kuss mit aller Leidenschaft.
4. KAPITEL
Kai zog sein Handy aus der Tasche und drückte nach kurzem Zögern auf eine Kurzwahltaste.
„Hi. Ich brauche jemanden, der hier hinter mir aufräumt. Ginge das?“, fragte er, als Malthus Krayl sich am anderen Ende meldete. Malthus war die beste Adresse, wenn es darum ging, einen Gefallen zu erbitten. Er stand als einer der Söhne Sutekhs zwar hoch in der Hierarchie, hatte aber ein sehr verträgliches und hilfsbereites Wesen. Und er stellte keine Fragen, wie andere es sicher getan hätten.
Während er telefonierte, ließ Kai Amber nicht aus den Augen. Sie wirkte ausgesprochen angespannt. Das verriet ihre ganze Haltung. Nach dem Kuss hatte sie sich sofort abgewandt und wich seitdem beharrlich seinem Blick aus.
Und immer noch hielt sie das Energieband mit der Schwarzen Seele fest, was ihn noch mehr wunderte. Denn außer den Fürsten der Unterwelt hatten nur die Seelensammler die Kraft, den direkten Kontakt mit dieser Energie auszuhalten. Und da Seelensammler ausschließlich männlich und die Fürsten der Unterwelt nicht imstande waren, auf der Oberwelt unter den Sterblichen zu wandeln, stellte sich ihm ein weiteres Mal die Frage, wer oder was sie eigentlich war. Kai hatte eine dunkle Ahnung, dass die Antwort auf diese Frage auch erklären würde, warum Asmodeus sie so erbarmungslos jagte.
Nachdem er mit Malthus einige Details geklärt und das Telefonat beendet hatte, steckte er das Handy wieder weg und trat auf Amber zu.
Kai hatte jetzt zwei Möglichkeiten. Er konnte sie auf den Kuss ansprechen oder – es sein lassen. Er entschied sich für die letztere. Jedenfalls vorläufig. Denn es sah so aus, als genügte der geringste Anlass, um ihre Nerven zum Zerreißen zu bringen.
„Gib her. Ich nehme das“, sagte er stattdessen ruhig und griff nach dem Energieband und der Tasche, in der sich das Herz befand.
Amber betrachtete die Leichen, die um sie herum verstreut auf der Straße lagen. Sie hatten wirklich Glück, dass niemand sonst in der Nähe war, dem sie dieses Gemetzel erklären mussten. „Warum hast du mit denen nicht dasselbe getan?“, fragte sie und zeigte auf den trägen, öligen Ballon neben seiner Schulter.
Kai überlegte und entschloss sich dann, ihr die Regeln wenigstens in den Grundzügen zu erklären. „Die Unterwelt ist unter ihren Fürsten in Territorien aufgeteilt, wohl ähnlich wie Gangstersyndikate ihre Gebiete in einer Großstadt aufteilen. Jeder der Götter, Halbgötter oder Dämonen wacht eifersüchtig über seine Interessensphäre, und jeder
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