Kind der Sünde (German Edition)
amorphe Masse, die über Kais Schulter schwebte.
Sie schluckte einmal trocken. Dann sagte sie leise: „Tut mir leid“, hob die Pistole und drückte ab. Sie schoss Kai mitten durchs Herz.
2. KAPITEL
Auf der Treppe hatte Kai sie schon eingeholt. Er schlang Amber einfach den Arm um die Taille und hob sie hoch. Gleichzeitig hielt er ihr mit der Hand den Mund zu.
Der Schmerz in seiner Brust brannte wie Hölle. Er konnte es nicht fassen. Sie hatte ihm kalt lächelnd ins Herz geschossen.
Aber irgendwie passt es auch, dachte er. Noch angemessener wäre nur gewesen, wenn sie ihm das verdammte Ding aus der Brust gerissen hätte.
Amber .
Sie lebte. Sie war hier. In seinen Armen.
Verdammte Scheiße.
Die Nächte, in denen er von ihr geträumt hatte, sich nach ihr verzehrt hatte, waren längst nicht mehr zu zählen. Nächte, in denen er sich auch vorgestellt hatte, ihr das verlogene, verräterische Herz herauszureißen. Sie hatte ihn in den Tod geschickt. Zum Glück für ihn hatten sich die Dinge etwas anders entwickelt, als sie sich das vorgestellt hatte.
Sie trug das schulterlange, dunkelblonde Haar mit den goldenen Strähnen offen, so wie er es von ihr kannte. Der vertraute Duft, irgendetwas zwischen Erdbeere und Vanille, stieg Kai in die Nase. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich zu Ambers Hals hinunterzubeugen und ihn tief einzuatmen, während er sich für ein paar Sekunden seinen Erinnerungen überließ, Erinnerungen daran, was sie sich einmal bedeutet hatten.
Bedeutet hatten – die Vergangenheitsform war hier der Schlüsselbegriff.
Er warf einen Blick auf die Tür am unteren Ende der Treppe. Dann drängte er Amber mit seinem ganzen Gewicht an die Wand, sodass sie sich nicht rühren und auch von der Pistole in ihrer Hand keinen Gebrauch machen konnte. Zwar hätte auch ein zweiter Schuss ihn nicht getötet. Aber Schmerzen empfand er und war deshalb nicht scharf darauf, noch einmal getroffen zu werden.
„Fünfzig Jahre“, sagte er, „fünfzig verdammte Jahre.“ Es gab so vieles zu sagen und zu fragen, dass er sich selbst wunderte, warum ihm nicht mehr dazu einfiel. Andererseits war das Dröhnen der Musik so laut, dass es ohnehin fraglich war, ob sie seine Worte verstand.
Kai entwand ihr die Pistole, vergewisserte sich, dass die Waffe gesichert war, und schob sie in seinen Gürtel. Ideal war das nicht, aber für den Moment musste es genügen.
Sosehr sich Amber auch wehrte und versuchte, um sich zu schlagen, es nützte ihr nichts. Er hatte sie fest im Griff. Halb trug und halb schleifte er sie über die Stufen nach oben. Er bugsierte sie jedoch nicht zurück in ihre Wohnung, sondern schleppte sie weiter hoch, bis sie sich schließlich auf dem Dach befanden. Dort oben war es nicht ganz so laut und fürs Erste sicher genug.
Ein scharfer Schmerz durchzuckte ihn, als sie ihm in einem Aufbäumen den Ellenbogen in die Brust rammte und seine frische Schusswunde traf. Kai war versucht, sich zu revanchieren und die Finger in ihre verletzte Schulter zu krallen, brachte es dann aber doch nicht fertig. Es kam ihm zu schäbig vor. Stattdessen verstärkte er seine Umklammerung, damit sie keine Chance für eine zweite Attacke bekam.
Er war nicht ihretwegen hierhergekommen. Aber da es sich nun schon so gefügt hatte, dass sie ihm ausgeliefert war, hatte er nicht vor, sie wieder gehen zu lassen, bevor er einige Antworten von ihr hatte.
Sein ursprünglicher Auftrag war es gewesen herauszufinden, warum Asmodeus Leute nach San Francisco entsandt hatte, und die Schwarze Seele eines dieser Männer zu holen. Die grauschwarze Blase neben ihm war Beleg dafür, dass er einen der Aufträge bereits erfolgreich erledigt hatte.
Als sie auf dem Dach angekommen waren, schlug Kai mit dem Absatz die Tür hinter sich zu. Der Straßenlärm und die Musik aus der Bar drangen bis zu ihnen herauf, aber hier oben war es doch wesentlich erträglicher als in Ambers Wohnung und im Innern des Hauses. Außerdem waren sie hier oben allein.
Die ganze Zeit über hatte er die Hand nicht von ihrem Mund genommen und hielt ihn ihr noch immer zu. Sie wehrte sich nach Leibeskräften gegen seine Umklammerung. Kai ließ ihr keinen Zentimeter. Im Gegenteil. Er zog sie noch enger an sich und beugte sich zu ihr, bis seine Lippen fast ihre Ohrmuschel berührten. Er spürte, wie sie zitterte.
„Was hat das zu bedeuten, Amber?“, fragte er leise. Amber . Welch ein Gefühl, wieder ihren Namen auszusprechen. „Du bist hier, du lebst. Und du siehst
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