Kind des Glücks
Freiheit zu verlangen, doch dann kam eine Gruppe von Wissenschaftlern in den Lagerraum. Sie waren beladen mit einer wirren Vielfalt von Instrumenten, Geräten und Aufzeichnungsmaschinen, und ich stellte fest, daß ich keine Form besaß, in die ich eine solche Forderung kleiden konnte.
Denn während die Freiheit von der augenblicklichen Situation eine Vorstellung war, die ich ohne weiteres begreifen konnte, war die Frage der Freiheit für etwas eine, die ich in diesem Augenblick nicht beantworten konnte. Die Freiheit, ziellos durch die Forschungskuppel zu wandern? Die Freiheit, zu einem Leben zurückzukehren, in dem ich endlos durchs Bloomenveldt wanderte? Wenn es darum ging, die Reise meines Lebens wieder aufzunehmen, dann waren meine Vorstellungen, wie es weitergehen und was ich verlangen sollte, genauso unklar wie Moussas, Rollos, Plattes und Goldrutes.
Da es also kein aktiv anzustrebendes Ziel und keine schlüssige Forderung vorzutragen gab, schien mir nichts übrigzubleiben, als mich passiv den Probenentnahmen, Messungen und dem Herumstochern der Wissenschaftler zu unterwerfen, die ihrerseits ebenfalls keine durchdachte Motivation zu haben schienen. Man befestigte Elektroden an verschiedenen Körperteilen, Instrumente stupsten mich und glitten über jeden Zentimeter meiner Haut, Nadeln zogen Blut ab, Urin wurde verlangt und geliefert, sogar Proben meiner Tränen, meines Schweißes, Nasenschleims, Speichels und Vaginalschleims fanden ihren Weg in die Phiolen.
Als diese Aktivitäten endlich abgeschlossen waren, bekamen wir abermals ein geschmackloses Essen, und man ließ uns wieder allein. Während der nächsten Stunden geschah nichts außer dem, was in meinem Kopf passierte, und selbst darüber gibt es wenig zu berichten, denn die unausweichliche Passivität meiner Lage hüllte mein Bewußtsein in einen Mantel der Langeweile. Was sollte ich tun? Was wollte ich überhaupt tun? Wirklich, nun, da die Geschichte der Flötenspielerin des Bloomenveldts das erreicht hatte, was ein triumphierender Abschluß hätte sein sollen, mußte ich mich fragen, wer ich eigentlich war.
Nach unmeßbar langer Zeit wurden die Lichter im Lagerraum gelöscht, und ich lag auf der unvertrauten Pritsche im Dunkeln und sehnte mich danach, in den Schlaf zu fliehen, der nicht kommen wollte; denn hier fehlte natürlich das unwiderstehliche Parfüm, und mein Stoffwechsel, der sich schon lange an den nächtlichen Duftzyklus gewöhnt hatte, hielt mich wach, und ich warf mich herum, bis -
- ich von blendendem Licht grob geweckt wurde, daß ich von der Pritsche sprang und schon halb durch den Raum war, um der Sonne zu folgen, dem Gelb zu folgen, ehe ich die kahlen grauen Wände und die Decke, die Stapel von Kisten und Kanistern sah und die drei Männer, die mit dem Frühstück hereingekommen waren. Ich landete mit einem psychischen Plumps in dieser unerfreulichen Realität der Menschenwelten.
Was mich anging, unterschied sich der zweite Tag im Lagerraum nicht vom ersten, wenn auch vom Standpunkt der Wissenschaftler aus die neuen Untersuchungen viele neue Daten erbrachten.
So wertvoll diese Forschungsarbeit auch war, für das Subjekt derselben läßt sich nichts Wichtiges über die Ereignisse sagen. Ich aß, ließ Untersuchungen über mich ergehen, lag schläfrig auf meiner Pritsche, wurde abermals gefüttert, wurde abermals wissenschaftlich untersucht und versank abermals in der Dunkelheit einer künstlichen Nacht.
Doch am nächsten Morgen, kurz nach dem Frühstück, das aus gerösteten Körnern und Nüssen mit getrockneten Früchten bestanden hatte, begann eine neue Gruppe von Wissenschaftlern im Lagerraum ein- und auszugehen. Während der vergangenen paar Tage hatte ich den ganzen Betrieb als Bewegung von verschwommenen Körpern, von Apparaten und Gesichtern erlebt, doch nun bemerkte ich, daß diese neuen Besucher sich zumindest anders verhielten.
Es wurden keine Körperflüssigkeiten mehr gesammelt, es wurde nicht mehr gestochert und gestupst, es gab keine unverständlichen Messungen meiner Körperfunktionen mehr, denn diese Neuankömmlinge hatten überhaupt keine Geräte dabei.
Statt dessen kamen sie einfach herein wie ein Stamm der Wayfaring Strangers, die sich einen Bezirk aufteilen, stritten ein wenig untereinander und machten sich ohne Rücksicht auf etwaige Wünsche derselben mit meinen verlorenen Kindern des Waldes davon.
Rollo war der erste; er ließ sich von zwei sauertöpfischen Frauen widerstandslos hinausschleppen.
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