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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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schob sie mit den Ellbogen fort. »Wie kann ich die Zuneigung von Krista gewinnen, Pater Pan?« fragte er.
    »Sei kein schweinischer Lohnsklave des Pentagon, sondern begebe dich zum Goldberg und reise durch die langen, langsamen Jahrhunderte zwischen den Sternen und folge dem Funken der Arkies in dir…«
    Ich stand viele Minuten hinten im Zelt – abgestoßen, entsetzt, gebannt und verzweifelt –, während nacheinander die zahlenden Kunden vor Pater Pan gelassen und hinausgedrängt wurden, nachdem sie ihn mit ihren kleinlichen Fragen behelligt und dafür sein delphisches Geplapper erhalten hatten.
    Ich hatte mich weit genug in die Wissenschaft vertieft, um zu wissen, daß das, was ich sah, ein Mann war, der schon lange den point of no return auf dem Weg zum Auf und Davon überschritten hatte.
    »Der König der Gypsies lebt nicht mehr, lang lebe der Prinz der Joker, wenn es auch natürlich sehr kleine Berge sind…«
    Denn während die Kadenzen und die Musik seiner Worte eine gewisse hypnotisierende Faszination besaßen, die das innere Ohr in die schlammigen Tiefen hinablockte, wußte ich genau, daß dies in Wirklichkeit isolierte und fragmentarische Erinnerungsbrocken waren, die freigegeben wurden, weil kein übergreifendes Muster mehr existierte. Kein Ladersüchtiger, der bis zu diesem Zustand fortgeschritten war, war je als bewußter Geist in die Menschenwelten zurückgekehrt; denn an diesem Punkt war die integrierende Persönlichkeit nicht nur unterdrückt, sondern für immer ausgelöscht – jedenfalls behaupteten das die Wissenschaftler –, so daß nur zusammenhanglose Speicherplätze im Gehirn übrigblieben, die willkürlich ihren Inhalt entluden.
    »Vor dem Sänger war das Lied, dem wir auf der Zauberstraße von den Bäumen unserer Vorfahren folgten, um uns ins phantastische Leben zwischen den Sternen zu wagen…«
    Der Pater Pan, den ich gekannt und geliebt hatte, war für immer verschwunden – jedenfalls behauptete das die Wissenschaft –, und wollte ich ihm jetzt gegen den Widerstand all dieser verdammten Jünger das Band mit Gewalt vom Kopf reißen, dann würde ich dennoch nur ein Halbwesen retten, nicht anders als jenes, das ich jetzt sah, das noch ein paar Jahre in der Obhut von Heilern in einem Sanatorium vor sich hatte.
    Ich war zu spät gekommen. Diese gesichtslose Kraft, die Guy Vlad Boca gepackt hatte, hatte irgendwie auch den edlen Pater Pan in ihre Gewalt bekommen, als wollte sie sich an mir rächen, nachdem ich auf einzigartige Weise als Flötenspielerin des Bloomenveldts triumphiert hatte – auf die häßlichste Weise, die ihr zur Verfügung stand.
    Doch wenn ich auch im Grunde nichts tun konnte, so konnte ich es auch nicht lassen, denn wie Wendi gesagt hatte und wie ich jetzt mit einem Zorn, der jede Vernunft überstieg, erkannte, war der Augenblick für eine vergebliche Geste gekommen.
    Ich schritt kühn und energisch weiter ins Zelt hinein, ging ohne Zögern an jenen vorbei, die darauf warteten, daß sie an der Reihe wären, das Orakel zu befragen, und anscheinend schritt ich mit solcher Energie aus, daß niemand Einwände machte.
    »Pater! Ich bin’s, Sunshine!« rief ich.
    »Im Sommer der Liebe in der Stadt an der Bucht trugen wir alle Blumen im Haar…«
    Seine übernatürlich hellen, doch völlig leeren Augen schienen durch mich hindurchzustarren, und sein Geplapper war, soweit ich sehen konnte, ebenso für diese oberflächlichen Wesen, die an seinen Lippen hingen, wie für mich bestimmt.
    »Merde!« rief ich vor Wut zitternd. »Du bist Pater Pan, und ich bin Sunshine Shasta Leonardo, und einst im großen Edoku waren wir Freunde und Geliebte! Erinnerst du dich nicht an unsere gemeinsame Zeit?«
    »Die Karawanen der Gypsies und Handwerker singen die einzige Geschichte, die es im schwarzen Wald der Nacht zu erzählen gibt…«
    »Merde! Caga! Sprich zu mir, Pater, sprich als Mann und nicht als Stimme aus einem zerebralen Wirbelsturm!«
    »Hör sofort auf, so mit dem Meister zu sprechen!«
    »Du hast genug für vier Krediteinheiten bekommen!«
    »Der nächste ist an der Reihe!«
    Ich wirbelte herum, als sich das Gezeter hinter mir erhob, und fühlte in dieser Gesellschaft beinahe genauso viel persönliche Kraft, wie meine theatralisch überzogene Stimme vermuten ließ. »Schweigt, ihr Flegel!« befahl ich. »Ich bin Sunshine Shasta Leonardo, die Flötenspielerin des Bloomenveldts, und ich will mit meinem alten Kameraden und Geliebten ohne weitere ungebührliche Unterbrechungen von

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