Kind des Glücks
dies der Wahrheit entsprach – überwiegend von der Großzügigkeit nicht allzu weit entfernter Eltern. Die paar wahren Kinder des Glücks, die ich ausmachte, schienen ein ziemlich unangenehmer Haufen zu sein; offenbar schon lange unterwegs, hatten sie sich vielleicht wie Raubtiere gesammelt, um die Energien – vom Geld ganz zu schweigen – der jungen Alpaner anzuzapfen.
Die Aktivitäten, die dort stattfanden, waren kaum geeignet, dem Mythos zur Ehre zu gereichen. Viele junge Leute lagen rotäugig und betäubt herum. Andere schluckten große Becher Wein oder verschiedene Rauschgifte, und der Handel, den ich beobachten konnte, spielte sich hauptsächlich in diesen Bereichen ab. Hier und dort hatten sich Paare oder Gruppen zu ziemlich unbeholfenen tantrischen Figuren zusammengefunden – nicht sehr kunstvoll und ohne besondere Energie. Überall lagen Essensreste und leere Flaschen verstreut, über die kleine gelbe Insekten herfielen, und der allgemeine Duft war nicht gerade entzückend und erinnerte eher an verwesende organische Materie und ungewaschene Körper denn an duftenden Weihrauch und kulinarische Genüsse.
Ich fand das Ambiente des Lagers, das ich unter den gleichgültigen Blicken seiner Bewohner durchwanderte, ausgesprochen widerlich – soll heißen, ich fürchtete mich vor dem, das ich in seinem Zentrum entdecken würde, denn ich wußte nur zu gut, wer und wie es sein würde. Ich brauchte auch nicht lange, um den richtigen Ort zu finden, denn fast im Zentrum des Lagers stand das größte Zelt von allen, ein geschlossener Pavillon, der aus Vielfarbigem Tuch zusammengenäht war.
An der Plane, die das Innere abschirmte, wurde ich von einem zottigen, triefäugigen Burschen angesprochen, der vielleicht fünf Jahre älter war als ich. Er versperrte mir den Weg und hielt mir einen Chip-Umbucher unter die Nase. »Vier Krediteinheiten für eine Audienz beim Orakel«, sagte er.
»Was? Quelle chose! Was soll diese Unverschämtheit?«
»Ein kleiner Preis für die wahre Stimme des Auf und Davon«, sagte er überheblich. »Versuche, dasselbe irgendwo auf Alpa zu einem niedrigeren Preis zu bekommen, und du wirst sehen, wie weit du kommst.«
»Merde!« murmelte ich wütend, doch ich gab ihm lieber meinen Chip, statt noch länger mit diesem frechen Kerl über seine Bettelei zu streiten. Als die verlangten Einheiten transferiert waren, hielt er mir die Plane hoch und ließ mich in das dunkle Heiligtum ein.
Das Innere des Zeltes war mit staubigen, fadenscheinigen Polstern ausgelegt. Auf diesen saßen ein paar Dutzend Jünger zurückgelehnt und schläfrig in verschiedenen Rauschstadien, schluckten Wein und Bier, schnüffelten an Drogen und richteten ihre unterschiedlich benebelte Wahrnehmung auf die Gestalt, die im Zentrum des Zeltes auf einem großen Nest von Kissen saß wie ein Pascha.
Vraiment, es war Pater Pan.
Aber leider nicht der Pater Pan, den ich gekannt hatte.
Sein Traje de Luces hing in losen Falten über dem hageren Körper. Sein goldenes Haar und der Bart waren ungekämmt, verfilzt und grau durchsetzt. Seine Haut war faltig und bleich, die Wangen eingefallen, und unter den Augen hatte er dunkle, runzlige Ringe. Seine Augen…
Seine wundervollen blauen Augen schienen größer und heller als je zuvor, doch nun lagen sie in tiefen, schattigen Höhlen und wirkten unscharf und irgendwie spröde wie Kugeln aus gebrochenem blauem Marmor. Um seine Stirn lag das Metallband des Laders, über Drähte mit der Konsole verbunden, die in seinem Thron aus Kissen verborgen war.
Vor ihm stand aufmerksam ein junges Mädchen, als erführe sie seine Weisheit. Und tatsächlich sprach Pater Pan, wenn auch mit Augen, die irgend etwas in mittlerer Entfernung zu fixieren schienen, und in einem leeren Vortragston, der sich an niemand besonders zu richten schien. »Verweile nicht in den gemeinen Straßen der Stadt Hameln, sondern folge mir zum Zauberberg…«
»Heißt das, ich soll jetzt mein Wanderjahr beginnen?«
»Fürchte nicht den Zigeunerkönig, Mädchen, denn wir alle müssen eines Tages aus dem Haus unserer Eltern gestohlen werden und fortlaufen, um uns dem Zirkus anzuschließen…«
»Aber nun sagst du, ich soll auf ein Zeichen warten?«
»Als Ronin erkenne ich keinen Meister an außer der Ehre…«
»Aber – «
»Genug!« sagte ein älteres Mädchen, das zu Füßen Pater Pans hockte. »Du hast bereits mehr als genug für deine vier Kredite bekommen!«
Sofort erhob sich ein Junge aus der vordersten Reihe und
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