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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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den Augen als golden leuchtender, durchsichtiger Sand und dem Gefühl wie ein flauschiger Teppich, während die Schwerkraft der eines kleinen Asteroiden zu entsprechen schien.
    Was von der Wiese aus wie ein massiver Berg und während meiner Abfahrt durch den hohlen Kern als großes Gebäude erschienen war, mutete von meinem jetzigen Standort aus eher an wie eine schwebende Modenschau, denn das Gebäude endete gut zwanzig Meter über dem Boden und wurde anscheinend von denselben Schwerkraftapparaten in der Luft gehalten, die es mir ermöglicht hatten, wie eine Staubflocke herabzugleiten, und die nun meiner Motorik sagten, daß ich nicht mehr wog als die Moussas, die ich als Kind in der Hand gehalten hatte.
    Ich stand benommen da, über mir das gewaltige Gebäude wie ein riesiger Sonnenschirm, während sich rundherum die nächste Umgebung erstreckte, deren vier Hauptrichtungen jeweils einer eigenen Tageszeit und Jahreszeit unterworfen schienen und mir die Illusion eingaben, ich befände mich im Knotenpunkt von Raum und Zeit, wenn ich auch trotz meines augenblicklichen psychischen Zustandes genau wußte, daß hier auf Edoku nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein konnte.
    Zu meiner Rechten lud mich eine Art Wohnbezirk aus kleinen Häusern, die sich auf den Flanken sanfter Hügel ausbreiteten, zum Eintreten ein. Dazwischen waren nur wenige Menschen unterwegs, um die Morgendämmerung zu begrüßen. Ein paar Grad weiter befand sich eine Parklandschaft mit einem See voller kleiner Boote und Sonnenanbetern auf einer Wiese, wo sich die sportlicheren Edojin mit seltsamen Sportarten und al fresco amour beschäftigten. Ich konnte mich auch in die schmalen, mitternächtlich düsteren Straßen eines Vergnügungsviertels wagen, in denen sich Nachtschwärmer zwischen hohen und grell beleuchteten Geschäften drängten. Ich konnte zwischen den gewaltigen Sukkulenten und kleinen Sommerhäusern wandern, die im Licht eines Sonnenuntergangs in der Wüste verstreut lagen, oder ich konnte zum Kamm eines Miniaturgebirges aufsteigen, das Gebäude umringte, die ebensogut Wohnhäuser wie Fabriken sein konnten.
    In Wirklichkeit wußte ich nicht, wo ich beginnen sollte und was ich beginnen sollte, und ich hatte weder einen Führer noch das Wissen und nicht den Hauch einer Ahnung, wie ich mich in diesem Chaos orientieren sollte. Benommen und überwältigt wie ich war, mit wachsendem Unbehagen angesichts meiner Entschlußlosigkeit und dem psychischen Druck des Gebirges über meinem Kopf, beschloß ich, das Schicksal entscheiden zu lassen, und wirbelte mit geschlossenen Augen herum, bis mir wirklich schwindlig wurde. Dann hielt ich inne und hüpfte munter in die Vergnügungsstraßen und die Mitternacht hinein, die jetzt in meiner Blickrichtung lagen.
     
    Wie lange wanderte ich benebelt in Edoku herum? Wie kann man eine Zeitspanne messen, wenn die Mitternacht nur wenige Schritte von der Dämmerung entfernt ist und man in ein oder zwei Minuten vom Frühling in den Herbst schlendern kann? Naturellement, man kann die eigene Uhr zu Rate ziehen, aber welcher Geist verläßt sich schon im Märchenland auf eine Digitalanzeige? Gewiß nicht der Geist des unschuldigen Kindes des Glücks, das ich war – hingerissen von einer endlosen Abfolge wundervoller, chaotischer und gelegentlich auch beängstigender Realitäten, wie Cort und ich sie im alltäglichen Nouvelle Orlean auch während der längsten und intensivsten Seancen mit den psychoaktiven Drogen nicht in unserem Bewußtsein hervorrufen konnten.
    Doch von allem Wissen, allen Fähigkeiten und allem Geschick, das ich während meiner vorangegangenen Inkarnation auf Glade erworben hatte, war es in Wirklichkeit ausgerechnet meine Erfahrung mit einer Vielzahl chemisch beeinflußter psychischer Zustände, die mir bei meinen ersten Streifzügen durch Edoku den größten Halt gab.
    Während mit Cort zusammen die Wahrnehmung einer völlig fragmentarischen und unzusammenhängenden Folge bizarrer und unvorhersehbarer Realitäten nur das Ergebnis einer Veränderung im biochemischen Zustand des sie wahrnehmenden Bewußtseins war, wogegen es auf Edoku die Umgebung selbst war, die sich veränderte, so war doch der dadurch hervorgerufene Bewußtseinszustand derselbe, nämlich ein völlig zersplittertes Gewahrsein, das völlig in den Augenblick versunken durch den Fluß der sich verändernden Details des Chaos streifte, ohne einen übergeordneten Bezugspunkt in Zeit und Raum zu besitzen.
    Aus dem vergoldeten Pflaster

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