Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
Vom Netzwerk:
Edokus nicht auf einem Planeten gestrandet, auf dem die offene Kompliziertheit einer entwickelten Ökosphäre wimmelte, sondern auf einer kahlen, leblosen tabula rasa aus totem Stein und absolutem Vakuum. So standen sie vor der ästhetischen Herausforderung und der spirituellen Notwendigkeit, eine ganze Welt zu erschaffen, eine ganze Realität sogar – aus nichts weiter als Masse, Energie und ihren eigenen inneren Landschaften, was heißen soll, daß es keine Überraschung, kein Chaos und kein beseeltes Wesen gab, das nicht ihrer eigenen bewußten Hand entsprang.
    So erschufen sie über die Jahrhunderte eine Welt, in der sich Künstliches auf Künstliches türmte, in der eine künstliche Ordnung auf die andere einwirkte, in der die Teile willkürlich so geschaffen waren, daß sie keine einheitliche Beziehung zu einem Ganzen verband, in der das »Natürliche« und das »Menschenwerk« bedeutungslose Begriffe waren, in der Tag und Nacht, Winter, Sommer, Frühling und Herbst, Schwerkraft und Gelände, Flora und Fauna aus der Notwendigkeit heraus menschliche Schöpfungen waren, die dem willkürlichen Diktat des menschlichen Gutdünkens und der surrealistischen Ästhetik der grenzenlosen Phantasie unterworfen waren und nicht mehr den Naturgesetzen der Geographie, Meteorologie, Biologie oder der Zeit unterlagen. Und so rettete die Menschheit mit ihrer Geschicklichkeit selbst ihren Geist aus dem toten, seelenlosen Determinismus einer völlig vom rationalen Geist gezimmerten Realität, und so wurde durch einen transzendenten Willensakt das Chaos aus der Ordnung neu erschaffen.
    Edoku war im Grunde eine Welt aus Treibsand, geschaffen, um den Geist ihrer Bewohner in eben jenem Zustand ständiger Überraschung zu erhalten, im Bewußtsein des ewigen Flusses des einen Unvorhersagbaren in ein anderes, dieser immerwährenden Illusion eines komplizierten, unbegreifbaren organischen Chaos, das ich so beunruhigend und beängstigend fand.
    Naturellement ist das oben Gesagte ebenso geprägt durch die größere Weisheit des Rückblicks wie durch ein gründliches Studium der entsprechenden Texte; alles, was ich damals langsam wahrzunehmen begann, war, daß ein orientierender Überblick sehr gut genau das sein konnte, das Edoku verhindern sollte, und gewiß konnte ich ihn auch durch noch so ausgedehntes, richtungsloses Wandern nicht bekommen. Deshalb bestand meine einzige Möglichkeit darin, meine intellektuellen Versuche, in diesem Chaos eine Ordnung zu erkennen, aufzugeben und statt dessen hineinzustürzen und ihm die Struktur meiner eigenen Wünsche aufzuerlegen.
    Nachdem ich diesen satorischen Zustand erreicht hatte, schälte sich eine gewisse Klarheit in Wahrnehmung und Absicht aus dem Dunst.
    Während ich keinen Begriff von der tatsächlich verstrichenen Zeit hatte, wußte ich mit Sicherheit, daß meine Fußsohlen wund waren, daß das Gewicht meines Rucksacks meine Schultern beugte, daß mein Magen nach Nahrung zu verlangen begann und daß meine Blase sich mit recht dringlichen Impulsen meldete.
    Kurz gesagt flossen biologische Notwendigkeiten und die Unterwerfung unter das Wissen, daß weitere ziellose Wanderungen nichts anderes als weitere Verwirrung erzeugen würden, schließlich in einem Motivationsschub zusammen, was heißen soll, daß ich fand, es sei an der Zeit, endlich zu finden, was in diesem seltsamen Land die Funktion eines Hotels erfüllte.
     
    In Nouvelle Orlean kannte ich den Ruf jedes Hotels in der Stadt; und in jeder anderen menschlichen Siedlung, von der ich gehört oder die ich mir vorgestellt hatte, betrat man einfach jenes typische Viertel, in dem die Hotels zu finden waren, und suchte sich nach dem äußeren Eindruck ein passendes aus. Doch hier auf Edoku hatte ich keine Vorstellung, wo ein solcher Bezirk zu finden war; vermutlich hätte ich ihn nicht einmal erkannt, wenn ich in seinem Zentrum gestanden hätte, denn ich konnte anhand des architektonischen Stils kaum ein Hotel von einem Vergnügungspalast oder einem Krankenhaus unterscheiden.
    Deshalb war ich darauf angewiesen, meinen Mut zusammenzunehmen und Fremde anzusprechen.
    »Entschuldigen Sie, mein Herr, ich bin gerade auf Edoku eingetroffen und suche ein gutes Hotel – «
    »Gutes Hotel, jai nai ici soweit ich weiß, und ich stimme zu, daß es eine Schande für unsere ciudad grande ist, aber so ist’s nun mal, bonne chance und buena suerte!«
    »Entschuldigen Sie, aber würden Sie – «
    »Gewiß nicht! Ruegelt für die Kinder des Glücks

Weitere Kostenlose Bücher