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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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bis der Geist aus ihm sprach?
    Wie dem auch sei, alles geht einmal vorbei, und selbst unsere goldenen Sommertage müssen eines Tages enden, wie uns die Vernunft sagt; allerdings wird die Tatsache, daß uns das Universum diese Beschränkung auferlegt, zweifellos ewig eine bleiben, die das menschliche Herz nicht zu preisen vermag.

 
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    Ich erinnere mich gut an den Augenblick, als der Karneval vorbei war und der Morgen danach begann, wenn sich auch die Gypsy Joker nur langsam und Stück für Stück in Legenden auflösten, wie Pater Pan es beabsichtigt hatte. Denn der einzige theatralische Moment in diesem sonst sanft entropischen Prozeß war der allererste, der Moment, in dem uns in mehr als einer Hinsicht der Geist verließ und weiterzog. Und das war ein Satori, das niemand von denen, die es erleben mußten, je wieder vergessen wird.
    Das Ereignis begann fröhlich und ausgeflippt, das schönste Erlebnis meiner Zeit als Gypsy Joker. Pater Pan erklärte willkürlich die Wiederbelebung des alten terrestrischen Festes Mardi Gras, bei dem die Kinder des Glücks von Woodstock ihre Friedenspfeife mit dem großen Gott Mammon geraucht hatten; sie hatten eine Parade durch die Stadt abgehalten, bei der alles, was sie während des Jahres verdient hatten, als Liebesgabe ans Volk verteilt wurde. Pater hatte beschlossen, diese edle Tradition wiederzubeleben, um unseren Freunden, den Edojin, für ihre Wohltaten zu danken und auch weil er einen feierlichen Rahmen für das geheimnisvolle Ereignis brauchte, das er uns als Höhepunkt versprach.
    Wer liebt keine Paraden, wer würde zurückstehen, wenn er in einer fröhlichen Menge durch die Straßen und Parks tanzen kann, berauscht, feiernd und allgemein in der Stimmung, sich so ausgenippt wie möglich zu benehmen, wenn man die Erlaubnis dazu bekommt, wenn man sogar zu jenen gehört, die der Öffentlichkeit diese Gaben bringen?
    Wer wäre so übellaunig, bei einem so hedonistischen Ereignis die Hügel hängen zu lassen, und wer würde erwarten, daß der geheimnisvolle Höhepunkt am Ende eines solchen Ereignisses etwas anderes als fröhlich sein könnte?
    Ich nicht und niemand in der Parade, und was die Edojin anging – die waren certainement zumindest amüsiert über das Spektakel der Gypsy Joker, die durch ihre Straßen und Parks zogen, über ihre öffentlichen Plätze, an ihren Wohnhäusern vorbei; die sich durch die Gegend schlängelten wie bei einem alten Drachentanz, mit dem König der Gypsy Joker in seinem Traje de Luces als Herr und Meister, der den verschlungenen Kurs nach Lust und Laune vorgab.
    Wir alle marschierten in unserer Mardi-Gras-Parade hinter unserem Flötenspieler; unser Lager war leer, alles, was zur Unterhaltung und Belustigung aufgeboten werden konnte, wanderte durch Edoku, stellte sich der Bevölkerung zur Schau, ja drängte sich dieser sogar auf. Die Länge unseres Drachens konnte man daran messen, wie oft es nötig war, ein halbes Dutzend Musiktruppen daran zu hindern, sich zu einer völligen Kakophonie zu überlagern. Jongleure jonglierten, Akrobaten wirbelten, Tänzer bewegten sich rhythmisch, Sänger rannten den Zug herauf und herunter und improvisierten Chöre. Die meisten Geschichtenerzähler blieben stumm, doch ein paar waren verrückt oder berauscht genug, um ihre Geschichten herauszubrüllen oder zumindest zusammenhanglose Fragmente derselben, im Versuch, den allgemeinen Lärm zu übertönen.
    Jene unter uns, die keine eigenen Unterhaltungen zu bieten hatten, nahmen mit dicken Säcken voller Leckereien am Geist des Mardi Gras teil; sie trugen Pakete mit Drogen, kleine Weinflaschen und sogar einigen billigen Schmuck, den wir nach Lust und Laune den Edojin am Weg zuwarfen. Ich selbst trug sowohl einen Sack mit Danis Leckereien, die mit einer doppelten Ladung Drogen geimpft waren, als auch einen Sack mit Alis Juwelen, die ich verschenken konnte. Letztere waren naturellement nicht auf seine übliche zeitraubende Art hergestellt, sondern bestanden aus vereinfachten Versionen seiner Waren, die zu Dutzenden gegossen worden waren.
    Die Parade wand sich von unserem Lager durch die zuvor stillen Wiesen zwischen den Wohnhäusern hinauf, über den Fluß und am Ufer entlang, dann zurück auf einem Kurs, der verschlungen war wie menschliche Eingeweide, durch die Wandelgänge zu Füßen der Glastürme, aus denen wir in Sichtweite unseres Lagers wieder auftauchten, und dann über die Mittagswüste zum großen Wasserfall, unter den Klippen entlang, von

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