Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
Vom Netzwerk:
zufriedengeben sollte, zu lernen und zu lauschen, bis der Geist bereit war, durch mich zu sprechen.
    Und bis dann mein eigenes Lied wachgerufen würde, hatte ich das Volksgut unseres Stammes, das mich führen konnte, und die Verkörperung desselben ab und zu als Liebhaber, und was ich aus beidem gelernt hatte, war, daß der Geist des Glücks durch das Leben seiner Kinder sprach, daß man zuerst lernen mußte, zur Musik zu tanzen, ehe man das Lied singen konnte.
     
    Und so kam für mich eine goldene Zeit, ein langer Sommertag jugendlichen Erwachens und sorgloser Abenteuer des Geistes, der nie enden sollte – jedenfalls dachte ich das damals.
    Alles, was ich tat, war bedeutungsvoll, denn war ich nicht im tiefsten Herzen ein Kind des Glücks, führte ich nicht das Leben des Geistes, der uns leitete, und trug ich damit nicht meinen kleinen Teil zum Mythos des Ganzen bei, und verstärkte sich nicht meine Freude darüber mit der Droge eines edlen raison d’être?
    Während ich mehr und mehr Zeit damit verbrachte, Geschichtenerzählern zu folgen und ihre Geschichten aufzunehmen, vernachlässigte ich nicht – zumindest nicht ganz – die praktischeren Aspekte des Lebens eines Kindes des Glücks, was heißen soll, daß der neuen Welt der Phantasie und des Intellekts, die sich vor mir eröffnet hatte, zwar meine größte Aufmerksamkeit galt, ich mir aber dennoch eine gesunde Abscheu vor den Eßblöcken bewahrte und weiterhin als Tantra-Künstlerin arbeitete und Alis Schmuck verkaufte – zumindest mit soviel Sorgfalt, daß es mir erspart blieb, dieses Zeug zwischen meine Lippen zu schieben.
    Und ebensowenig verlangte diese Hingabe an meine neue Rolle als Schülerin von mir, ein mönchisches, zölibatäres Leben zu führen. Denn in meinem jungen Gehirn, dessen Phantasie und Intellekt erwachten, wurde ein gewisses aphrodisisches Enzym produziert, das mein heranwachsendes erotisches Kleinhirn zum Schwingen brachte.
    Weit mehr als nur ein Geschichtenerzähler kam in den Genuß des kundalinischen Energiekreislaufs, der zwischen meinem Interesse für ihre Geschichten und meinen pheromonischen Rezeptoren entstand. Wenn ein einigermaßen attraktiver Erzähler eine Geschichte beendet hatte, die mir gefiel, entwickelte ich häufig den lustvollen Wunsch, en boudoir in ihre tiefere Bedeutung einzudringen, und wirklich, nachdem all diese frei fließenden erotischen Energien erschöpft waren, wurde der Bursche überredet, aus dem Nähkästchen zu plaudern, wenn auch nur, um weiteren Herausforderungen seiner befriedigten Männlichkeit zu entgehen. Und als erst meine tantrische Kraft und mein ernster Wunsch unter den Geschichtenerzählern allgemein bekannt waren, fand ich genug Freiwillige, die eine Unterweisung in ihrem Gewerbe gegen eine Demonstration des meinen zu tauschen bereit waren.
    Während dieses langen, goldenen Sommertages blieb Pater Pan gleichermaßen mein Freund und Geliebter und zeigte angesichts meiner Rolle als Kurtisane der Geschichtenerzähler nichts weiter als belustigte Anerkennung, um mir anschließend zu beweisen, daß die Verkörperung ihres Kollektivwerks auch ein Mann aus Fleisch und Blut war.
    Es schien mir, als sei mein Leben vollkommen geworden, als bewohnte ich ein goldenes Traumland, das zu meinem eigenen Genuß erschaffen sei, und wenn dies eine Straße der Träume war, dann sah ich nichts dahinter, in dem ich aufwachen müßte.
    Alles, was nötig war, um diese Vollkommenheit zu transzendieren, war der Augenblick, als ich mich schließlich daran machte, meine eigene Geschichte vorzutragen. Vraiment, wenn ich über mein Debüt als Geschichtenerzähler nachdachte, spürte ich eine gewisse angenehme Spannung, nicht unähnlich dem Genuß, sich die erste passage d’amour mit einem neuen begehrten Objekt vorzustellen, und wie es bei diesen kundalinischen Energien ist, währt die Freude der Spannung länger als die Freude der Entladung.
    Vielleicht ist das Vorangegangene der rational verbrämte Ausdruck einer faulen Seele, die zufrieden war, ohne Risiko oder Veränderung glückselig zu schweben, und wirklich zitterte ich etwas vor dem Gedanken, allein auf der Straße zu stehen und zu erzählen. Doch in Wahrheit konnte ich mir kaum fehlenden Mut vorwerfen, denn ich hatte keine Geschichte zu erzählen, und wenn ich in der Öffentlichkeit Geschwätz zum besten gegeben hätte, nur um meine eigenen, leeren Worte zu hören, dann hätte ich mich höchstens lächerlich gemacht. Wartete nicht das wahre Kind des Glücks,

Weitere Kostenlose Bücher